VS zapfte rechtswidrig Telefon an

■ Verwaltungsgericht kritisiert Schludrigkeiten in der Arbeit des Verfassungsschutzes

Das Bremer Landesamt für Verfassungschutz hat im Jahr 1989 zwölf Wochen lang das Telefon einer vierköpfigen Wohngemeinschaft in Bremen-Nord rechtswidrig abgehört. Zu dieser Auffasung gelangte jetzt das Bremer Verwaltungsgericht, nachdem ein Mitglied der WG gegen den VS geklagt hatte. Das Gericht vertrat die Auffassung, daß der Antrag zur Abhörung des Telefons, der sowohl vom Innensenator als auch von der vom Parlament zur Kontrolle des VS eingesetzten sog. G-10-Kommission genehmigt wurde, nicht ausreichend vom Verfassungschutz begründet war. Gestern machte der Anwalt des Klägers, Reinhard Engel, das Urteil öffentlich.

Hintergrund der Geschichte: Der VS verdächtigte einen WG- Bewohner, bei einem Anschlag auf das AEG-Gebäude 1988 in Bremen-Nord beteiligt gewesen zu sein. Zu diesem Anschlag hatte sich damals eine Gruppe „Steve Biko“ bekannt. Die übrigen drei WGler hatten sich in den Augen des VS allein schon dadurch verdächtig gemacht, daß sie unverdächtig waren und in einer WG wohnten, denn: Die „Autonomen Zellen“ leben, so der VS, charakteristischerweise in Wohngemeinschaften, in der sie ihre privaten und persönlichen Belange unbeobachtet organisieren könnten.

Am 18. April hatte der VS einen Lauschantrag gestellt, einen Tag später wurde er vom Innensenator genehmigt, wieder einen Tag später von der G-10-Kommission der Bürgerschaft, die die Aufgabe hat, den VS für das Parlament zu kontrollieren. Niemand beanstandete die erheblichen Begründungsmängel, die jetzt das Gericht gefunden hat.

Denn das Verwaltungsgericht sieht das Abhören eines Telefons als ultimativ letzte rechtsstaatliche Maßnahme an, die erst einsetzen darf, wenn alle anderen Mittel des VS versagt haben. Das aber habe der VS in seinem Antrag nicht nachgewiesen. Das Gericht stellte fest: „Eine formale Begründung, die sich im wesentlichen auf die Wiedergabe der gesetzlichen Regelung beschränkt, ist weder substantiiert noch nachprüfbar.“

Der VS hatte gegenüber dem Gericht vertreten, daß er bereits „außerhalb eines konkreten strafrechtlich relevanten Tatverdachtes tatsächlichen Anhaltspunkten“ über die Mitgliedschaft einer terroristischen Vereinigung nachgehen müsse. Dazu gehörten bespitzelte Äußerungen des Verdächtigen über diverse Anschläge zum Beispiel bei der Bekleidungsfirma Adler und Äußerungen über das „imperialistische Schweinesystem“. Das Gericht hielt diese Verdächtigungen nicht für ausreichend, das letzte rechtsstaatliche Mittel einzusetzen. Der Eingriff in das Fernmeldegeheimnis, geschützt durch Artike 10 des Grundgesetzes (G-10) sei unbegründet.

Im Hause des Innensenatoras nahm man das Urteil mit Gelassenheit auf. Die Pressesprecherin versicherte, daß ähnliche Vorfälle unter der neuen Leitung des Hauses nicht vorkommen würden. Zur Zeit des Lauschangriffs war noch Peter Sakuth Innensenator.

Markus Daschner