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Das projizierte Wesen

Carsten Jung inszenierte Enzo Cormanns  ■ Credo

mit Kathrin Rietzschel in der deutschen Erstaufführung im Monsun Theater

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2å Herein rauscht die Frau, stellt Teller, Wein und Gläser bereit und sinkt erschöpft zusammen. Zu einem langen Monolog hebt sie sachte an, und über kurz treibt die Hitze dem Publikum den Schweiß aus den Poren, während aus dem Biergarten Musik und fröhliche Stimmen hinaus zu Müßiggang im lauen Windchen locken.

Nicht nur die Schauspielerin, auch das Publikum war am Freitag bei der Premiere von Credo, einem Werk des französischen Schauspielers und Autors Enzo Cormann, im Monsun Theater zu äußerster Disziplin genötigt, um nicht von den tropischen Bedingungen überwältigt zu werden. Doch da war auch noch Kathrin Rietzschel, die Frau, irgendeine Frau, unbestimmten Alters, die verhalten spricht, von Männern, von Sehnsüchten, Gewalt, Ängsten, Leere und Wut.

Carsten Jung inszenierte das Schauspiel, in dem es Kathrin Rietzschel gelang, den Prototyp einer weiblichen Opferfigur zu einem abendfüllenden Ereignis zu erheben. Deutlich ihr Einfühlungsvermögen in die widersprüchlichen Abgründe einer Frau, die ihre Leere schildert, diese auf ihr imaginäres Gegenüber projiziert und sich mit psychischem Sadomasochismus in ihren Erinnerungen ergeht. Was mit dem nicht vorhandenen Mann, Gatten oder Liebhaber tatsächlich geschehen ist? Hat sie ihn, wie sie sagt, getötet, oder war er nur ein Ergebnis ihrer Phantasie? „Ich bin allein, bin es immer gewesen“, widerruft sie am Ende ihr Mordgeständnis und entschwindet im abblendenden Licht, als löse sie selbst sich auf wie ein Trugbild.

Das Bühnenbild, ein Tisch mit zwei Stühlen, wurde vom Verein Möbelhilfe Süderelbe gestiftet und sieht auch so aus. Der Regisseur verließ sich in seiner Arbeit offensichtlich ganz auf Rietzschelers Schauspielkunst. Das funktionierte. Julia Kossmann

Monsun, bis 12.7., 15. - 19.7., 22. - 26.7., 20.30 Uhr

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