Zoff ums Fladenbrot

■ Pide-Preis um 30 Prozent erhöht / Jetzt boykottieren türkische Lebensmittelhändler die Bäckereien / Erste Preisanhebung nach 10 Jahren / Broteinakuf im Umland organisiert

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boykottieren türkische Lebensmittelhändler die

Bäckereien / Erste Preisanhebung nach 10 Jahren /

Broteinkauf im Umland organisiert

Seit gut einer Woche verkaufen in Hamburg rund 150 türkische Lebensmittelgeschäfte kein Fladenbrot mehr. Der Grund ihres gemeinsamen Boykotts: Ohne es mit ihnen abgesprochen zu haben, hatten die insgesamt 13 hiesigen türkischen Brotfabriken die Preise für Fladenbrot um 30 Prozent erhöht.

In einem formlosen Schreiben an die Händler gaben die Bäckereien bekannt, daß ab dem 6. Juli neue Preise gelten und — fast noch wichtiger — „altes Brot nicht mehr zurückgenommen wird“. Bisher konnten die Geschäfte das unverkaufte „Pide“ an die Hersteller zurückgeben, ohne es zu bezahlen.

Die Ladenbesitzer sind vor allem darüber sauer, daß sie nicht vorab informiert wurden. Ein Kaufmann an der Sternschanze: „Wenn wir die übrigen Brote nicht zurückgeben können, heißt das, daß wir unseren Kunden altes Brot verkaufen müssen. Das wollen wir nicht.“

Nach der neuen Preisliste kostet das 500-Gramm-Fladenbrot (Pide) jetzt den Ladenbesitzer 1 Mark statt bisher 80 Pfennig. Das kleine Fladenbrot (Kucuk Pide), bisher 40 Pfennig, wird sogar um 30 Pfennig teurer. Sesamkringel (Simit) sollen die Händler nunmehr 75 Pfennig statt bisher 50 Pfennig kosten.

Dazu ein türkischer Kunde: „Sie wollen die Preiserhöhungen nach türkischen Verhältnissen hierher tragen. Das geht nicht. Özal und Demirel leben noch nicht hier.“

Der Boykott soll solange aufrecht erhalten werden, „bis wir erreicht haben, daß die Brotrückgabe wieder möglich ist, und die Preiserhöhungen einigermaßen zurückgenommen werden“, kündigt Ladenbesitzer Alesoy an. „Die Kunden unterstützen uns voll.“ Ladenbesitzer, die sich nicht an dem Boykott beteiligen, will man nicht in den

1Großmarkt hineinlassen.

„Die Arbeiter, die bei mir beschäftigt sind, bekommen zwischen 1500 und 2000 Mark Brutto-Gehälter“, erklärt der Besitzer der Anadolu-Brotfabrik im Nernstweg. Die deutschen Bäckereien hätten vor einem Monat auch die Preise erhöht. Ohne die Preisanhebung — die überdies die erste seit zehn Jahren sei — könne er seinen Arbeitern keinen höheren Lohn zahlen. Die Anadolu-Brotfabrik existiert

1seit 13 Jahren und produziert mit 21 Angestellten täglich 3000 bis 10000 Brote. Die Stückzahl hängt auch von den Bestellungen der Händler ab. Der Verlust durch zurückgegebenes Brot sei zu hoch, klagt der Vertriebsleiter der Brotfabrik Dijle am Hauptbahnhof. „Manche ordern 200 Brote am Tag und verkaufen nur 150.“

Unterdessen haben die 150 Händler, die sich morgen erneut beraten wollen, weitere Forderun-

1gen aufgestellt. So sollen kleine Läden nicht mehr gezwungen werden, alle Brotsorten ins Regal zu nehmen. Außerdem soll das Pide in eine Tüte verpackt werden, damit es nicht mehr jeder anfassen kann.

Fragt sich nun, wer den längeren Atem hat. Seit gestern beziehen die Boykotteure Fladenbrot aus dem Hamburger Umland zum alten Preis. Zur Not wollen sie sogar selber eine Bäckerei gründen. Adil Gürbüz/taz