: Bremens nächster Nordseestrand
■ Die Weserinsel Harriersand: Ein postmodernes (Bade-)Vergnügen / Hin mit Rad und Schiff / Brake bildet
Hierhin Füße im Sand
Fußlust im Heavy-Metal-Sand
Am Harriersand scheiden sich die Geister: Wer, sagen die einen, kann es an einem Ort aushalten, an dem man das Knacken der Geigerzähler des Atomkraftwerks Esenshamm zu hören meint; an dem die Schmuddelsuppe der Unterweser ihre Salz- und Schwermetallfracht vorbeischiebt; wo den ganzen Tag die Gebläse der gigantischen Silos der Braker Firma Gross dröhnen. Die anderen aber preisen den Harriersand, von Bremen aus gut 30 km weserabwärts gelegen, als größte deutsche Binneninsel, nur durch ein
Brückchen mit dem Festland verbunden; als, von Bremen aus gesehen, nächsten Nordseestrand — bei Hochwasser kommt hier die Nordsee vorbei und bringt badetaugliches Wasser; 11 km Sandstrand verlocken zum Lümmeln, und Riesenpötte aus Übersee sowie Segler bei ungeschickten Manövern befriedigen das Auge ungemein.
Wer einen postmodernen Sinn für widersprüchliche Sinneseindrücke hat bzw. wer die zivilisatorische Grundfertigkeit der selektiven Wahrnehmung beherrscht, für den ist der Harriersand prima Reizklima. Und die Tourismusindustrie in Gestalt der Reedereien tut ihr Bestes, uns dorthin zu bringen. Überaus beliebt ist ist eine Mischform: Z.B. Bremen-Brake incl. Fahrrad mit dem Schiff, dort essen und dann übersetzen auf die Insel mit der kleinen Fähre „Guntsiet“, deren Kapitän gern manchen Schwank zum Besten gibt - von hackevollen Abgesoffenen, die unvorschriftsmäßig die Weser überschwimmen wollten, oder von Überfahrten bei Windstärke 9 („Wir fahren immer“). Auf Harriersand wird die Haut gegrillt, im Sand getobt, bei zufällig anwesendem Hochwasser ein Bad genommen und in der „Strandhalle“ bei der netten Wirtin mäßiger Kuchen gegessen. Zurück gehts dann mit dem Rad übers Brückchen mit Rückenwind nach Bremen. Alle anderen denkbaren Kombinationen sind möglich, und auch die Bundesbahnstrecke Bremen-Brake ist, wie Bombenzug-Blockierer wissen, gut befahren.
Liegt man so im Sand, bei Wind und Sonne, die Füße im Heavy-Metal-Schlamm, beschützt von der großartigen DLRG- Crew, die einen notfalls mit leichter Gewaltanwendung aus dem verbotenen Fahrwasser zieht — dann bekommt man angesichts all der Dampfer ganz maritime Gefühle. Brake vis-a-vis, das war mal ein äußerst kreger Seehafen, damals, als die Schiffe noch aus Holz waren. Zusammen mit Elsfleth konnte man es vom Umschlag her mit Bremen aufnehmen. Diesbezüglich Interessierte müssen unbedingt den Aufenthalt in Brake (Eigenwerbung: „Shipping & Shopping“!) nutzen und das Schiffahrtsmuseum besuchen. Es befindet sich im Wahrzeichen der Stadt, dem „Telegraphen“, einem Haus mit hohem Turm, das einst zu einer Kette „optischer Telegraphen“ zwischen Bremen und Nordsee gehörte. Dort sind Wrackteile des legendären Großseglers „Pamir“ ausgestellt, der 1957 unter ungeklärten Umständen mit 80 Mann versank. Nautisches Gerät, Kanonen, Mitbringsel der Seeleute, Schiffsmodelle, in einem zweiten Ausstellungshaus Glühkopfmotoren, ein Schiffsausrüster-Laden und eine Segelmacherei: was das Herz begehrt. Bildung leichtgemacht: Hier erfährt jeder, was ein „Hundsfott“ ist. Übrigens verehrt man in Brake, weil seinerzeit im Ort verheiratet, den alten Brommy, den ersten Admiral der ersten deutschen Bundesmarine 1848-51.
Brake, man kann es nicht oft genug betonen, bietet dem Gast allerlei: die Ausscheidungskämpfe zur Miß Busen '92, eine Fahrradtour zum AKW, Boxtraining für Frauen und ein flußökologisches Phänomen: Als kürzlich die Bremer Badeseen aus bakteriellen Gründen mit Badeverbot belegt waren, gab's auch für die linke Weserseite Alarm. Harriersand dagegen, rechtsseitig, war mit dem Segen des Gesundheitsamts clean. Ein Inselwunder! Bus
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