: Vorwürfe gegen UNO in El Salvador
Deutscher Arzt beschuldigt UNO-Mission, Menschenrechtsverletzungen der Armee zu verschleiern ■ Aus San Salvador R.Leonhard
Die ONUSAL, die Beobachtermission der Vereinten Nationen für El Salvador, behindert aus politischen Gründen die Aufdeckung von Verbrechen. Diesen Vorwurf macht der Frankfurter Arzt Reinhard Jung, der bis 30. Juni ein Jahr lang in der Mission mit der Überwachung der Menschenrechtssituation betraut war. In einem offenen Brief an UNO-Generalsekretär Ghali beschuldigt Jung einige seiner ehemaligen Vorgesetzten, ihre eigentliche Aufgabe hinter diplomatischen Erwägungen zurückzustellen. Er selbst sei mehrere Male bei der Verfolgung einer heißen Spur gestoppt worden.
Eine Gruppe von Menschenrechtsexperten der UNO nahm als Voraustrupp der ONUSAL vor einem Jahr ihre Tätigkeit in El Salvador auf, um die Einhaltung eines Teilabkommens über Menschenrechte zu verifizieren. Nach dem Waffenstillstand zwischen Regierungstruppen und der Guerilla im Februar schickte die UNO auch 600 Blauhelme und 300 Polizeiberater. Von Anfang an wurde die Arbeit der UNO-Mission vor allem von den Militärs und von der extremen Rechten kritisiert.
Seit Beginn des Waffenstillstandes und dem Rückzug der Armee in die Kasernen hat sich die Menschenrechtssituation deutlich gebessert. Doch paramilitärische Todesschwadrone sind weiterhin aktiv. Reinhard Jung gelang es, die Zusammenarbeit von Killergruppen mit den Sicherheitskräften aufzudecken. Ihm war aufgefallen, daß 80 Prozent der gemeldeten Mordfälle in den Zuständigkeitsbereich der Polizeistation von Ciudad Delgado, an der Nordostperipherie San Salvadors, fielen. Im März wurde dort eine Gruppe jugendlicher Obstdiebe auf einer Finca von Bauern gestellt, gefoltert und an einen Grundbesitzer und ehemaligen Polizeioberst ausgeliefert. Der brachte sie auf seinem Pritschenwagen zu einem nahe gelegenen Zuckerrohrfeld, wo sie im Lichtkegel der Autoscheinwerfer erschossen wurden. Einer, der im Schutze der Nacht entkommen konnte, meldete das Verbrechen bei ONUSAL. Reinhard Jung nahm sich des Falles an und konnte die Angaben mittels eines Augenzeugen bestätigen. Doch der zuständige Polizeikommandant bemühte sich, die Spuren zu verwischen. Als Jung bei seinen Vorgesetzten insistierte, wurde ihm der Fall entzogen: „Es hieß, Beschwerden der Polizei und Armee über mich hätten sich gehäuft.“
Sogar den einzig eindeutig politischen Mord seit dem Waffenstillstand, nämlich die Exekution des Gewerkschafters Nazario Garcia, durfte Jung nicht weiter untersuchen, als er Verbindungen zu den Sicherheitskräften ausmachte. Die Spuren führten zu derselben Todesschwadron, die im Bereich Ciudad Delgado agiert. Anderen Kollegen erging es ähnlich: Ein französischer Polizist, der die Spuren einer Bande von Straßenräubern bis ins IV. Infanteriebataillon verfolgte, konnte letzten Endes keine schlüssigen Beweise finden, daß hohe Offiziere beteiligt waren — ein ONUSAL-Funktionär hatte dem zuständigen Armeeoberst von der Untersuchung erzählt.
Selbst Philippe Texier, Chef der Menschenrechtsdelegation der ONUSAL, wurde vom politischen Chef der Mission, dem Pakistani Iqbal Riza, mehrmals gebremst. Er wurde nicht einmal konsultiert, als im Juni die Schließung des Regionalbüros Usulutan beschlossen wurde. In dieser Region gibt es besonders viele Menschenrechtsverstöße.
Reinhard Jung findet die ONUSAL „wenig souverän. Ich sehe eine Linie, möglichst nicht anzuecken, um die Verifizierungsarbeit nicht zu gefährden.“
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