: Hauptsache überleben
■ „Flüchtlinge im Kirchenasyl“, Sat.1, 23.50 Uhr
Sieben Flüchtlinge aus Bangladesch suchen 1985 Schutz in der Bundesrepublik. Ihr Asylantrag wird abgelehnt. Kurz vor der Abschiebung fliehen sie in eine Augsburger Kirche und erhalten von der Gemeinde Asyl. Nachdem Bayerns Innenminister Stoiber die gewaltsame Entfernung aus der Kirche angedroht hat, flüchten sie nach Hildesheim. Doch ihre Hoffnung auf ein liberaleres Klima im rot-grün regierten Niedersachsen trügt. Wieder wird ihr Asylbegehren abgelehnt. „Die Regierung hat immer recht — egal ob bei uns oder hier“, stellen sie resigniert fest. Auch das Klima innerhalb der Kirchengemeinde ändert sich nach dem Sturz des Miltärregimes in Bangladesch, obwohl der Regierungswechsel der Bevölkerung bislang kaum einen Vorteil gebracht hat. Vorerst letzte Station für die sechs Bengalen (einer kehrte illegal nach Bangladesch zurück) ist eine Franziskaner- Gemeinde in Hildesheim. Noch immer warten sie dort auf einen positiven Bescheid für eine Einreise nach Kanada. Warum Kanada? Keiner der Flüchtlinge weiß eine Antwort. Sie dürfen nicht wählen, für sie gibt es nur eines: „Hauptsache überleben“.
Die Nürnberger Medienwerkstatt Franken, bekannt durch Dokumentarfilme z.B. über WAA-Widerstand in Wackersdorf oder über das Leben mit Aids, hat sich mit den beiden oppositionellen bengalischen Filmemachern Enayet Karim Babul und Golam Faroque Ahmed für diesen Film zusammengetan. Während die Medienwerkstatt die bengalischen Flüchtlinge drei Jahre lang auf den verschiedenen Stationen ihrer Flucht begleitet hat, versuchten die beiden Bengalen die Situation im Bangladesch und damit die Motive der Flucht ins Bild zu setzen. Auch die Eltern der Flüchtlinge kommen zu Wort, die ihre Söhne mehr als sechs Jahre nicht mehr gesehen haben und nur einen Rat für sie übrighaben: „Kommt nicht nach Hause zurück.“ Hauptsache überleben ist nicht nur ein vielschichtiges Portrait einer Odyssee zwischen zwei Kulturen und zwei Kontinenten. Die Reportage gibt einen Einblick in die Lage in Bangladesch und macht klar, wie unsinnig eine Unterscheidung zwischen sogenannten Wirtschafts- und politischen Flüchtlingen ist. Ein unspektakulärer Film über eine unspektakuläre, aber trotzdem lebensnotwendige Flucht. Einzig störend: der passagenweise sensationsheischende Pathos des Sprechers. Bernd Siegler
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