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Walesa: „Sie ist eine begabte Dame“

Polens neue Premierministerin Hanna Suchocka findet nun doch das Wohlwollen des Präsidenten/ Koalition aus Solidarność-Parteien/ Sejm-Kommission lehnt vier Minister wegen Inkompetenz ab  ■ Aus Warschau Klaus Bachmann

Zum ersten Mal in der Geschichte des Landes steht an der Spitze der polnischen Regierung eine Frau: Die 46jährige Posenerin Hanna Suchocka. Sie wurde bereits am Freitag abend mit einer absoluten Mehrheit von 233 Stimmen gewählt, 11 Abgeordnete stimmten gegen die Verfassungsrechtlerin, 107 enthielten sich. Damit findet eine Regierungsbildung ihren Abschluß, die lediglich 18 Stunden gedauert hatte. Der neuen Regierungskoalition gehören sieben Parteien an, sie alle sind aus der Gewerkschaftsbewegung Solodarność hervorgegegangen waren.

Zufrieden über die schnelle Regierungsbildung, mit der eine fünfwöchige Regierungskrise in Polen beendet werden konnte, zeigte sich auch Staatspräsident Lech Walesa. „Ich bin wirklich begeistert von der neuen Premierministerin. Sie ist eine sehr begabte Dame und wir haben vieles gemeinsam.“ Die neue Regierung sei „die beste“ seit der Machtübernahme der Gewerkschaftsbewegung 1989. Zunächst hatte Walesa dagegen für den bisherigen Premier Waldemar Pawlak und gegen Suchocka Stellung bezogen.

In einer knapp und konkret gehaltenen Regierungserklärung machte Hanna Suchocka, die der Demokratischen Union entstammt, deutlich, daß ihr Kabinett sich aus ideologischen Auseinandersetzungen heraushalten werde: Ihr Ziel sei eine Regierung der nationalen Verständigung. Außerdem kündigte sie einen verstärkten Kampf gegen Korruption und Rechtsbeugung an. „Polen kann und wird ein starker Staat sein“, rief sie.

Weiter erklärte die Premierministerin, daß sie mit Arbeitsbeschaffungsmaßnahmen die Arbeitslosigkeit bekämpfen wolle. Im kurzen außenpolitischen Teil ihrer Rede unterstrich sie, daß Polen weiterhin an der europäischen Integration ebenso wie an guten Beziehungen zu all seinen Nachbarn interessiert sei.

Von der Zentrumspartei, die sich nicht an der Regierung beteiligt, wurde indessen heftig ihre Ankündigung kritisiert, Innen- und Verteidigungsministerium sollten dem Präsidenten unterstehen. Diese Regelung schreibt jedoch die Verfassung zur Zeit formell vor, aus diesem Grund war auch die Besetzung beider Minister mit Walesa abgesprochen worden. Verteidigungsminister ist nun Janusz Onyszkiewicz, Innenminister Andrzej Milczanowski, zum Arbeitsminister wurde Jacek Kuron ernannt, Außenminister bleibt Krzysztov Skubiszewski.

Wie das Zentrum, so lehnten auch Bauernpartei und Exkommunisten die Regierung ab. Ein Vertreter der Bauernpartei, die zuvor erfolglos versucht hatte, eine Regierung zu bilden, verlangte, „das Solidarność- Lager soll nun endlich auf eigene Rechnung regieren“. Zugleich äußerten linke Oppositionsparteien die Befürchtung, daß Suchocka die liberale und ihrer Ansicht nach wenig soziale Politik der Regierung Bielecki fortsetzen werde.

Der Vertreter der neugegründeten Partei des früheren Premiers Jan Olszewski, Przemyslaw Hniedziewicz, kündigte den Widerspruch seiner Partei mit der Begründung an, die neue Regierung wolle der von Olszewski begonnen Stasi-Debatte „die Luft abdrehen“. Ein Vertreter der Christnationalen stellte fest, seine Partei werde darüber wachen, daß dies nicht geschehe. Ein Antrag der Olszewski-Partei „Bewegung für die Republik“, alle Ministerkandidaten von Sejm-Ausschüssen auf ihre Stasi-Vergangenheit zu durchleuchten, wurde abgelehnt. Hanna Suchocka erklärte, Innenminister Milczanowski habe ihr versichert, ihre Kandidaten seien unbelastet.

Ähnlich wie in den USA sieht Polens Verfassung eine Abstimmung über die vorgeschlagenen Minister und deren vorhergehende Anhörung durch Parlamentsausschüsse vor. Dabei erwies sich, daß insgesamt vier Ministerkandidaten, vor allem der Bauernsolidarität und der Christnationalen von den zuständigen Ausschüssen wegen Inkompetenz abgelehnt wurden. Die Stellungnahmen der Ausschüsse waren teilweise vernichtend. Betroffen sind davon neben dem Transport- und dem Umweltminister auch Industrieminister Waclaw Niewiarowski und Jerzy Kropiwnicki, der das zentrale Planungsamt übernehmen soll. Positiv werteten die Abgeordneten, deren Verdikt das Parlament nicht bindet, dagegen das Auftreten des künftigen Vizepremiers Henryk Goryszewski, der dem rechten Flügel der Christnationalen angehört und für die Koordination der gesamten Wirtschaftspolitik zuständig sein wird. Obwohl selbst Prof. Geremek (Demokratische Union) Premierministerin Suchocka aufforderte, angesichts der offensichtlichen Inkompetenz einiger Minister deren Ernennung zu überdenken, erteilte der Sejm am späten Sonntag abend dem Kabinett von Frau Suchocka en bloc seine Zustimmung.

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