FIS-Prozeß vor dem Abschluß

■ Algerische Spitzenpolitiker als Zeugen im Verfahren gegen die Führung der Islamischen Heilsfront

Algier (dpa/afp) — Der Prozeß gegen sieben Führer der verbotenen algerischen Islamischen Heilsfront (FIS) ist am Montag um 24 Stunden verschoben worden. Überraschend beschloß das Militärgericht von Blida, den früheren Ministerpräsidenten Sid Ahmed Ghozali als Zeugen zu laden. Auch der Generalsekretär der früheren Einheitspartei FLN, Abdelhamid Mehri, sowie Ex- Parlamentspräsident Abdelaziz Belkhadem sollen vor Gericht aussagen.

Der algerische Rundfunk wertete die Ladung dieser Zeugen als Entgegenkommen gegenüber der Verteidigung. Diese vertritt den Standpunkt, daß nicht die Angeklagten, sondern die damals politisch Verantwortlichen für die Unruhen vom Juni 1991 mit offiziell 84 Toten und 480 Verletzten verantwortlich seien. Den Führern der Heilsfront, die sich wegen „Gefährdung der Staatssicherheit“ verantworten müssen, droht die Todesstrafe. Das Urteil war ursprünglich noch für Montag erwartet worden.

Die Angeklagten, darunter die prominenten Führer der FIS, Abassi Madani und Ali Belhadj, blieben gestern der Sitzung erneut fern. Sie bestreiten die Zuständigkeit des Militärgerichts und beharren auf Zulassung ausländischer Beobachter. In der vorausgegangenen Nachtsitzung hatte das Militärgericht unter anderen Ex-Ministerpräsident Mouloud Hamrouche vernommen, der auf dem Höhepunkt der Unruhen zurückgetreten und von Ghozali abgelöst worden war.

Hamrouche nahm zu dem Vorgehen gegen die islamistischen Proteste im Mai und Juni 1991 Stellung. Die gewaltsame Räumung von Versammlungen der Islamisten auf vier großen Plätzen von Algier in der Nacht vom 4. zum 5. Juni 1991 erklärte er mit der „Entschlossenheit“, die damals im Umkreis des Präsidenten Chadli Bendjedid geherrscht habe. Hamrouche weigerte sich jedoch zu sagen, ob Bendjedid die Räumung selbst anordnete.

Hamrouche und der damalige Innenminister Mohammed Salah Mohammedi hatten während der Unruhen mit den FIS-Führern verhandelt und die Protestaktionen auf den Hauptplätzen in Algier gestattet. Beide Seiten waren damals übereingekommen, den Dialog fortzuführen und der Gewalt abzusprechen. Nachdem die Sicherheitskräfte die Plätze räumten, warfen die FIS-Führer der Regierung Wortbruch vor.

In den Ermittlungen um die Ermordung des algerischen Präsidenten Mohamed Boudiaf, der am 29. Juni von einem Leibwächter erschossen wurde, hat sich unterdessen das zuständige Zivilgericht für nicht kompetent erklärt. Bereits zuvor hatte sich die Militärgerichtsbarkeit geweigert, sich des Falles anzunehmen. Nun soll das Oberste Gericht entscheiden, wer den Fall zu übernehmen hat.