: Einspruch
■ betr.: "Der große Aufklärer tritt ab", taz vom 8.7.92
betr.: „Der große Aufklärer tritt ab“ von Robert Misik,
taz vom 8.7.92
Vermutlich ist etwas Wahres an Robert Misiks witziger Feststellung, der österreichische Bundespräsident i.R. Kurt Waldheim sei ein großer Aufklärer wider Willen gewesen. Wenn Misik schreibt: „Vierzig Jahre nach dem Untergang von Hitlers Reich wurde erstmlas die verlogene These... in Frage gestellt, wonach Österreich das erste Opfer der deutschen Expansion gewesen war“, so ist dies vollkommen richtig. Ich bezweifele aber, daß die Debatte um Waldheim „letztlich kathartische Wirkung“ hatte.
Es sei eine „ganz andere Geschichte“, schreibt Misik, daß Jörg Haider, der dynamische Neonazi mit dem Yuppie-Appeal, nun 20 Prozent der Wählerstimmen erhält. Einspruch, Euer Ehren! Warum eine andere Geschichte? Waldheim und Haider — diese beiden Namen stehen für eine historische Kontinuität, die wohl niemand so schnell durchbrechen wird.
Einspruch erhebe ich auch gegen den Satz, die österreichischen Antisemiten würden erst seit Waldheim wieder „wie Antisemiten reden“ und hätten zuvor lediglich „als solche gedacht.“ Der Judenhaß war in Österreich schon immer offener als in Deutschland. Das liegt natürlich nicht daran, daß die Deutschen bessere Menschen waren, aber sie hatten eben eindeutig den Krieg verloren. Die Österreicher nicht. Das jeweils Neueste über die finsteren Machinationen des Weltjudentums (ohne Anführungszeichen) stand bereits vor 20 Jahren in der Kronenzeitung.
Und daß die Alpenrepublik sich lange Zeit einen jüdischen Bundeskanzler leistete, beweist nichts gegen meine Behauptung. Kreisky konnte überhaupt nur deshalb Regierungschef bleiben, weil er ein extremer jüdischer Selbsthasser war: „De Judn san an mieses Volk.“ Solche Sätze wurden natürlich grade von den rehabilitierten Nazis mit Schmatzen goutiert — na segt's es, sie sagen's doch selber! Recht hamma g'habt.
Ich wage zu bezweifeln, daß Waldheim „kein Nazi“ und „kein Kriegsverbrecher“ war, sondern nur „eines jener kleinen Lichter, die opportunistisch funktionierten“. Ich halte das für etwa ebenso wahr, wie die These, der IM „Sekretär“ alias Manfred Stolpe habe die Kirche in der DDR gerettet.
Waldheim war keine so unbedeutende Figur, wie er gern glauben machen wollte. Er war beteiligt an „Verhören“ von jugoslawischen Partisanen, und Verhör bedeutete: Folter. Er hatte einen wichtigen Posten bei der Wehrmacht in Griechenland, als die Juden von dort ins Vernichtungslager deportiert wurden. Waldheim war nur dann unschuldig, wenn die deutsche Wehrmacht es auch war. Diese abenteuerliche Behauptung darf aber inzwischen eindeutig als widerlegt gelten. Hannes Stein, „Auslandsösterreicher“, Hamburg
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen