S-Bahn: ungewisse Zukunft

Nach der gestern beschlossenen Bahnreform:  ■ Wer kauft Hamburgs
altehrwürdige Rumpelbahn

, und wer zahlt die Modernisierung?

Sie ist nicht schnell, eher langsam rumpelt sie über veraltete Gleisanlagen. Schön ist sie auch nicht, viele beklagen sich über ihre Unwirtlichkeit, und manchmal entgleist sie auch noch. So, wie sie ist, möchte sie keiner haben, aber gebraucht wird sie, da sind sich alle einig. Hamburgs S-Bahn, das steht spätestens seit dem gestrigen Beschluß der Bundesregierung zur Bahnreform fest, wird verkauft. Die Frage ist nur, an wen. Denn die S-Bahn ist nicht nur alt, sondern auch noch teuer. Jahr für Jahr fährt sie Defizite in Millionenhöhe ein. Dazu kommen dringend notwendige Investitionen.

Bei der derzeitigen Besitzerin, der Bundesbahn, werden drei Modelle gehandelt, mit denen die angstrebte „Privatisierung“ und Regionalisierung des Personennahverkehrs erreicht werden kann.

11. Die Gründung einer bahneigenen Tochtergesellschaft, die die Hamburger S-Bahn übernimmt und ihre Dienste der Stadt Hamburg gegen Bezahlung anbietet.

2. Der Verkauf der S-Bahn einschließlich des Streckennetzes an Hamburg, genauer: an die städtische Hamburger Hochbahn AG.

3. Eine Mischung aus den beiden ersten Varianten. Danach würde das zu gründende Tochterunternehmen der Bahn nur das Schienennetz behalten, die Hochbahn AG dagegen wäre für den eigentlichen Betrieb zuständig und müßte für die Nutzung der Infrastruktur bezahlen.

Der Hamburger Senat steht der Übernahme des gesamten S-Bahnbetriebes (nach dem Modell2) prinzipiell nicht ablehnend gegenüber. „Wenn die Konditionen verantwortbar sind“, so Finanzbe-

1hördensprecher Matthias Woisin, „werden wir uns nicht drücken.“ Mit anderen Worten: Umsonst überlassen reicht nicht. Der Bund müßte bei den bevorstehenden Verhandlungen schon einiges drauflegen, wenn Hamburg die altersschwache S-Bahn in eigene Regie übernehmen soll.

Auf mindestens eine Milliarde Mark beziffert die Finanzbehörde die Summe, die in den kommenden Jahren investiert werden muß, um die S-Bahn betriebsfähig zu halten und den Komfort zumindest annähernd auf U-Bahn-Standard zu bringen. Damit, so machte der zuständige Verkehrssenator Eugen Wagner vor seiner Abreise in den Urlaub deutlich, wolle sich Hamburg nicht belasten: „Wir lassen uns nicht über den Tisch ziehen.“

Aber so ganz ohne Belastung wird es letztlich wohl nicht abgehen. Dafür wird unter anderem eine EG-Richtlinie sorgen, nach der Regionalverkehr EG-weit künftig auch regional organisiert und finanziert werden muß. Eigentlich sollte das schon zum 1.Juli dieses Jahres der Fall sein, der Bundesrat aber vertagte die Umsetzung dieser Richtlinie in der vergangenen Woche erstmal auf Ende 1994. Wie im Falle der Hamburger S-Bahn ist der finanzielle Ausgleich, den Bonn den Ländern und Kommunen für die Übernahme des Personennahverkehrs zahlen will, noch lange nicht ausgemacht. An der Stelle im gestern verabschiedeten Gesetzentwurf, an der diese Summe eigentlich stehen soll, prangt bisher noch eine Lücke. Sie soll in den kommenden Monaten in Verhandlungen zwischen der Bundesbahn, der Bundesregierung und den Ländern geschlossen werden.

Bis es soweit ist, wird die Hamburger S-Bahn altehrwürdig und ein bißchen heruntergekommen, wie sie ist, in den gewohnten Gleisen weiterfahren — und gelegentlich aus denselben springen. Uli Exner