: Mutter und Oma zugleich
■ Gorillaweibchen nährt zwei Jungtiere an ihrer Brust/ Vater eifersüchtig
Tiergarten. Bräsig liegen die beiden Gorillaweibchen Dufte und Mpenzi neben ihrem zwei Zentner schweren Gatten Derrick im Stroh und halten Mittagsschlaf. Zur Enttäuschung der Zuschauer, die in einer dichten Traube vor der Glasscheibe des Affenkäfigs im Zoo stehen, sind von den dreien nur die dicken Bäuchen und die Hinterteile zwischen den gespreizten Beine zu sehen. Plötzlich geht ein Aufschrei durch die Menge. Aus dem dichten Fell unter Duftes rechtem Arm wühlt sich eine kleine Hand ins Freie. Unter dem linken Arm schiebt sich ein winziges Füßchen nach. Als das Zucken und Krabbeln im Pelz nicht enden will und alles Kratzen nichts nützt, rappelt sich die behäbige Dufte mühsam hoch und hockt sich mit dem Gesicht zur Glasscheibe hin. „Guck mal Mami, die hat ja ein Baby“, kreischt es im Zuschauerraum. „Nein“, überschlägt sich Mutters Stimme, „die hat sogar Zwillinge.“
Falsch getippt. Dufte hat keine Zwillinge. Das Gorillaweibchen ist nur Mutter des größeren der beiden Jungtiere. Das andere Baby, das sie so fürsorglich an ihrer Brust nährt, ist ihr Enkelkind. Die eigentliche Mutter ist Duftes Tochter Mpenzi. Weil Mpenzi kein Intresse an ihrer Nachkommenschaft zeigte, übernahm die Großmutter kurzerhand die Fürsorge. Duftes Baby kam am 1. Juni zur Welt, Mpenzis am 29. Juni. Nach knapp drei Stunden Wehen hielt sie eine Hand unter die Scheide und fing das Jungtier damit auf. Die eigentliche Geburt dauerte eine halbe Minute. Sie war noch mit der Nachgeburt beschäftigt, da schnappte sich Dufte schon das Kind. Wenig später, erzählt der Leiter des Affenhauses, Reimund Opitz, habe Dufte das Neugeborene noch einmal für kurze Zeit auf dem Boden des Affenkäfigs abgelegt, aber Mpenzi habe kein Intresse daran gezeigt. Daraufhin habe Dufte das Jungtier endgültig adopiert und lasse seither beide Kinder nicht mehr aus den Augen. Der Tierpfleger vermutet, daß die siebenjährige Mpenzi noch zu jung für die Aufzucht sei. Auch bei den freilebenden Gorillamüttern sei es durchaus üblich, daß die Erstgeburt sterbe. Der Grund sei, daß die Menschenaffen erst lernen müßten, mit Jungen umzugehen.
Dufte sei eine glänzende Mutter, sagt der Tierpfleger Opitz stolz. Sie würde in ihrer Rolle von Mpenzi vollkommen akzeptiert. Nur Derrick, der Vater beider Kleinen, habe etwas Schwiergkeiten. „Er möchte die beiden Jungtiere gern einmal anfassen, aber das erlaubt ihm Dufte nicht.“ Der Pfleger Opitz vermutet, das Derrick ein klein wenig auf ihn eifersüchtig ist. Im Gegensatz zum Vater darf und soll Opitz die beiden Kleinen nämlich jeden Morgen anfassen, wenn er Dufte am Käfiggitter begrüßt.
Bei einer dieser Gelegenheiten hat der Tierpleger auch das bis dahin fragliche Geschlecht der beiden Jungtiere festgestellt. Duftes Nachkömmlig ist ein Junge und Mpenzis ein Mädchen. Aber davon war Opitz, der seit 25 Jahren das Affenhaus leitet, bereits ausgegangen. Schließlich habe Dufte ihr eigenes Baby beim Pinkeln immer etwas von sich abgehalten, damit ihr Fell nicht naß werde. „Bei Mädchen ist das nicht nötig. Da fließt der Strahl weiter hinten ab.“ plu
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen