Schwarze Armbinden, weiße Tauben

Südafrikas SportlerInnen können dem Sog des Kampfes zwischen der Regierung und dem Afrikanischen Nationalkongreß (ANC) nicht entkommen/ Heftiger Streit um den Sportboykott  ■ Aus Johannesburg Hans Brandt

„Der ANC ruft Sportler dazu auf, ihre internationale Wettkampfbeteiligung auf Eis zu legen, bis das Land unwiderruflich auf dem Weg zur Demokratie ist. Wir rufen internationale Verbände zur erneuten Verhängung des Sportmoratoriums auf.“ Der Aufruf des ANC Ende Juni war Teil der Reaktion auf das Massaker von Boipatong, bei dem am 17.Juni 42 Menschen ermordet wurden. Der ANC brach Gespräche mit der Regierung ab und holte alte Waffen wieder aus dem Schrank. Darunter auch den Sportboykott.

„Erpressung“, „politischer Zirkus“, „ein trauriger Tag für den Sport“, wetterte die regierungstreue Johannesburger Tageszeitung Citizen. „Es wäre sehr traurig, wenn unschuldige Südafrikaner für die grausamen Taten von Mördern bestraft werden sollten“, kommentierte Präsident Frederik de Klerk. Internationale Sportkontakte würden einen friedlichen Verhandlungsprozeß bestärken, meinte er.

Die Sportlerinnen und Sportler waren verwirrt. Nach Jahrzehnten hatten Athleten gerade wieder an den Afrikameisterschaften teilgenommen; nach Jahrzehnten sollte in Kürze die erste ausländische Fußballmannschaft, aus Kamerun, nach Südafrika kommen; nach Jahrzehnten machte sich ein südafrikanisches Team startbereit für die Olympischen Spiele; nach Jahrzehnten sollen wieder internationale Rugby- Mannschaften das Land besuchen. Kamerun sagte prompt den Besuch seiner Nationalmannschaft ab.

Südafrikas Sportverbände eilten zu Konsultationen zum ANC. Während nicht-rassistische Sportorganisationen wie SACOS weiter den Boykott fordern (siehe Interviewkasten), stimmte der ANC nach tagelangen Gesprächen einem Kompromiß zu: SportlerInnen würden ihre Unterstützung für demokratische Erneuerung und ein Ende der Gewalt demonstrieren durch das Tragen von schwarzen Armbinden mit der Aufschrift „Frieden und Demokratie“. Außerdem sollten alle ausländischen Sportler, die nach Südafrika kommen, einen Solidaritätsbesuch in Boipatong absolvieren.

„Das ist ein kleiner Preis für internationalen Wettbewerb“, meinte Ali Bacher, Direktor des Cricketverbandes. „Immerhin sind wir alle der Meinung, daß diese Gewalt, die alle Bereiche unserer Gesellschaft beeinträchtigt, beendet werden muß.“ Nelson Mandela sprach persönlich mit Paul Biya, dem Präsidenten von Kamerun, und die Nationalmannschaft des westafrikanischen Landes kam doch nach Südafrika.

Aber die Rugby-Spieler waren unzufrieden. „Niemand kann mir vorschreiben, in welche Ecke der politischen Arena ich mich zu stellen habe“, schimpfte Louis Luyt, burischer Boß des Rugby-Verbandes in der Provinz Transvaal. Luyt sei arrogant und habe kein Empfinden für die Gewalt, meinte darauf Steve Tshwete, Sportchef des ANC. Die Kabbelei dauerte einige Tage an. Diese Woche erzielten Krisengespräche zwischen Rugby-Chefs und ANC eine Einigung. Rugby-Spieler können selbst entscheiden, ob sie Armbinden tragen wollen. Aber vor internationalen Spielen soll eine Schweigeminute für die Opfer der Gewalt eingelegt werden.

Für Südafrikas olympisches Team sind Armbinden allerdings ausgeschlossen. Olympische Regeln verbieten politische Statements. Aber auch dafür hat das südafrikanische Olympische Komitee einen Ausweg gefunden: in Barcelona werden die Südafrikaner ihre Trainingsjacken mit weißen Friedenstauben schmücken.

Die drei Spiele der Kamerun- Mannschaft gegen Südafrika zeigten letzte Woche, wie durchsetzungsfähig die Friedenssymbole sind. Beim dritten Spiel waren die Armbinden und Transparente verschwunden, die Schweigeminute auf knapp 20 Sekunden reduziert. Aber auf den Tribünen wurden die wenigen weißen Zuschauer, die sich unter die Zehntausende von Schwarzen gewagt hatten, als Mit-Südafrikaner begrüßt.

Doch auch wenn die Symbole in der Hitze des Wettkampfes kaum beachtet werden — der Wirbel um die mögliche Wiederaufnahme des Sportboykotts seit Ende Juni hat die südafrikanische Öffentlichkeit aufgeschreckt, hat den Ernst der Verhandlungskrise deutlich gemacht. Immerhin ist Sport für Millionen von schwarzen und weißen Südafrikanern unendlich wichtiger als Politik.