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Kein Feinmotoriker...

■ Olympische Spiele in Barcelona: Hamburger Büdi Blunck ist einer der Leistungsträger der hochfavorisierten Hockey-Nationalmannschaft

BARCELONAREISENDE

Einem Büffel auf Futtersuche gleich

Olympische Spiele in Barcelona: Hamburger Büdi Blunck ist einer der Leistungsträger der hochfavorisierten Hockey-Nationalmannschaft

Von ursprünglich zwei Hamburgern, die in der deutschen Hok

key–Nationalequipe bei den olympischen Spielen antreten sollten, ist nur noch einer übriggeblieben: Christian „Büdi“ Blunck, Defensiver Mittelfeldspieler vom Harvestehuder THC.

Zimperlich ist er wahrlich nicht. Einem Büffel auf der Suche nach Futter gleich, pflügt er durch die Halle, drängt seine Gegenspieler mit Vehemenz zur Seite,um, sollte er von einem ebenbürtigen Kontrahenten unsanft gestoppt worden sein, sich aufzurappeln und gleich weiterzuschnauben.

Hockeyanhänger der klassischen Schule trauern solch technikarmer Auftritte wegen der alten Zeiten hinterher. Zeiten, in denen Krafteinsatz verpönt und eher filigrane, gleichfalls kunstvolle Zelebrierung das Nonplusultra des Kolonialsports war. Die nostalgische Verklärung ficht Christian „Büdi“ Blunck jedoch nicht an. „Ich bin kein Feinmotoriker und muß deshalb verstärkt meinen Körper einsetzen“, bekennt der fast 190 Zentimeter große Nationalspieler freimütig und fügt, so als ob er sich doch ein wenig getroffen fühlen würde, um Verständnis bittend hinzu: „Auch im Hockey muß es Spieler wie Berti Vogts oder Hans- Peter Briegel geben.“

Immerhin hat sich der 23jährige vom HTHC trotz seiner kraftvollen Spielweise bis in die Nationalmannschaft, mit der im Frühjahr die Champions Trophy, den renomiertesten Pokal im Hockey, gewann, vorgekämpft.

Das „Büdi“ („Christian nennt mich keiner“) einmal Hockey spielen würde, war schon früh eine beschlossene Sache. Mutter Greta, eine ehemalige erfolgreiche Nationalspielerin, drückte ihrem damals vierjährigen Filius einen Schläger in die Hand, eine Wahl blieb dem

Stepke so nicht. „Da wurde ich reingedrängt“, wie das im noblen, mitunter elitären Hockeysport so üblich ist. Tradition spielt dort eine große Rolle und noch immer ist die Mitgliedschaft in einem der alteingesessenen Clubs Voraussetzung, zumindest förderlich, um in den feineren hanseatischen Kreisen Fuß zu fassen.

Dergestaltete Anerkennung strebt Büdi nicht an. Für ihn ist Hockey ein wichtiger Teil seines Lebens, aber nicht alles: Sport, nicht Lebensinhalt. „Dieses elitäre Getue interessiert mich nicht“, grenzt er sich klar ab, „manchmal ist mir das mit Hockey auch zuviel“. Gerade jetzt, wo Büdi für die Olympischen Spiele in Barcelona täglich trainiert, denkt er über eine hockeylose Zukunft nach, über eine längere Pause nach dem für ihn wichtigsten sportlichen Ereignis seiner Karriere. Nach Australien zieht es den Hamburger, trotz der dort erhöhten ozonlochbedingten Krebsrate.

Und, als ob dies nicht schon Frevel genug wäre - ein typischer Hockeyspieler geht, wenn in Ausland, dann nur in die USA - stu-

diert Büdi nicht eines der klassischen Fächer wie BWL oder Jura, nein, schon sehr verdächtig ökologisch angehaucht an der Fachhochschule für Umwelttechnik eingeschrieben. „Nach meiner Banklehre habe ich gemerkt, daß das nicht mein Ding ist“, was in den Ohren der solventen Krummstabgemeinde wie Hochverrrat klingen muß, erst recht, wenn Büdi befindet, „daß mein Studium ruhig etwas länger dauern darf“.

Sich Zeit zu nehmen, scheint ohnehin seine Lebensmaxime (geworden) zu sein, insbesondere um einstmals hehre Ziele zu überprüfen. Von seinem großen Traum, den Olympischen Spielen, bleibt da nicht viel übrig: „Ein Bewußtseinsmüsli im konservativen Hockeygeschäft - das mutet nicht nur merkwürdig an, das sorgt für tiefe Irritation, bringt klischeehafte Weltbilder zum Einsturz. Ein Außenseiter ist er dennoch nicht, einer nur, der auch über den eigenen Tellerrand blickt, der die eigene Position beleuchtet und doch genau weiß, daß er letztendlich nur wenig ändern kann: „Hockey ist in meinem Kopf eingemeißelt.“ Clemens Gerlach

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