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Ärzte für Methadon

■ Umfrage des Hartmann-Bundes bei 8000 Medizinern/55 Prozent gegen Drogenfreigabe/Vorwurf an Politiker: Keine langfristigen Konzepte

Die Hamburger Ärzte sprechen sich mehrheitlich für den Drogen- Ersatzstoff Methadon, aber gegen die Freigabe harter Drogen durch den Staat aus. Das ist das Ergebnis einer Umfrage des Hartmannbundes, die dessen Vorsitzender Klaus Wagner gestern der Öffentlichkeit vorstellte. Zugleich forderten die „Damen und Herren in Weiß“ mehr staatliche Aktivitäten für den Entzug und die Resozialisierung von Drogenkranken. Der Ärzteverband hatte rund 8000 niedergelassende und angestellte Mediziner angeschrieben, um ihre Meinung zur Drogenproblematik zu erfragen. 2050 antworteten.

Überraschend sei, daß mehr als 40 Prozent der Ärzte sich für eine Freigabe harter Drogen aussprachen, meinte Wagner. Er persönlich wandte sich ebenso wie rund 55 Prozent der interviewten Hamburger Mediziner aber gegen eine Legalisierung: „Der freie Zugang zu harten Drogen für jedermann kann nicht der richtige Weg sein.“

Genauso wie fast 75 Prozent der Befragten befürwortet der Hartmannbund-Vorsitzende Ersatzstoff- Programme. „Man muß abwarten, was dabei für die Kranken rauskommt“, kommentierte Wagner allerdings etwas zurückhaltend. Dabei hatte Hamburgs Dorgenbeauftragter Horst Bossong erst vor zwei Wochen eine postive Bilanz nach einem Jahr Substitutionbehandlung mit Methadon und Remedacen gezogen. Eine Untersuchung der Uni Hamburg belegte, daß die derzeit 330 PatientInnen nach wenigen Monaten einen besseren Gesundheitszustand aufwiesen. Zudem hielten 90 Prozent der Junkies die Behandlung durch. Keine andere Therapieform kann solche Erfolge aufweisen.

Die Befragung des Hartmann- Bundes könnte auch ein Signal für die Kassenärtzliche Vereinigung (KV) sein. Wenn diese die Zulassungsbedingungen für die Ersatzstoff-Behandlung entschärfen würde, stünde endlich allen Hamburgern dieser Ausweg offen. Zur

1Zeit bekommen nur Härtefälle (Schwangere, Aids-Infizierte und langjährige Drogenabhängige) die Medikamente. Vor allem der akute Mangel an Therapieplätzen läßt etlichen Junkies die Ersatzdrogen Methadon oder Remedacen als einzige schnelle Chance zum Ausstieg.

Wagner forderte, auf Länderebene Kommissionen mit Experten aus allen gesellschaftlichen und beruflichen Gruppen einzusetzen. Den Politikern warf er vor, keinerlei langfristige und effektive Pläne für die Bekämpfung des Drogenkonsums zu haben. sini/dpa

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