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Auf dem Weg zur wahren Hauptstadt

■ Kommende Woche stimmt der Senat den Hauptstadtvertrag mit der Bundesregierung ab/ Aufgrund des großen Leserinteresses dokumentiert die taz den beinahe vollständigen Wortlaut/ Mit dem Vertrag entmachtet...

Auf dem Weg zur wahren Hauptstadt Kommende Woche stimmt der Senat den Hauptstadtvertrag mit der Bundesregierung ab/ Aufgrund des großen Leserinteresses dokumentiert die taz den beinahe vollständigen Wortlaut/ Mit dem Vertrag entmachtet der Senat die Innenstadtbezirke und gibt aber auch selbst Rechte an Bonn ab/ Der finanzielle Ausgleich dafür ist eher vage gehalten/ Trotz Kritik von AL, SPD-Chef Walter Momper und den Bezirken gab der Senat nicht nach

Vertrag

über die Zusammenarbeit der Bundesregierung und des Senats von Berlin zum Ausbau Berlins

als Hauptstadt der Bundesrepublik Deutschland und zur Erfüllung seiner Funktion als Sitz des Deutschen Bundestages und der Bundesregierung [...]

Artikel 1: Zusammenarbeit

der Vertragsparteien

(1) Die Vertragsparteien arbeiten eng und vertrauensvoll zusammen, um die Funktionsfähigkeit der Hauptstadt Berlin als Sitz des Deutschen Bundestages und der Bundesregierung sicherzustellen. [...]

(3) Die Zusammenarbeit erstreckt sich insbesondere auf:

—die geordnete städtebauliche und siedlungsstrukturelle Entwicklung der Gebiete mit Hauptstadtfunktionen und die Einbindung hauptstadtbedingter Einrichtungen einschließlich der dafür erforderlichen Infrastruktur,

—die angemessene Unterbringung der Verfassungsorgane des Bundes, sonstiger oberster Bundesbehörden und die damit in Zusammenhang stehende Unterbringung nachgeordneter Behörden,

—die Versorgung der Mitglieder der Verfassungsorgane und der Bediensteten des Bundes,

—die Unterstützung ausländischer Missionen, der Vertretungen der Länder beim Bund sowie sonstiger hauptstadtbezogener Institutionen bei der Beschaffung der für ihre Unterbringung geeigneten Liegenschaften und bei der Wohnungsversorgung ihrer Beschäftigten,

—Art, Umfang und Standort hauptstadtbedingter wohnungsbezogener Infrastruktureinrichtungen,

—den zur Wahrnehmung der hauptstadtbedingten Aufgaben erforderlichen Bau und Ausbau sowie die Instandhaltung der Verkehrs- und sonstigen technischen Infrastruktur,

—hauptstadtbedingte Kultur- und Bildungseinrichtungen, an denen die Bundesrepublik Deutschland ein besonderes Interesse hat,

—die wechselseitige Bereitstellung von Liegenschaften.

[...]

Artikel 2: Gemeinsamer Ausschuß

(1) Die Vertragsparteien bilden einen Gemeinsamen Ausschuß, der die Zusammenarbeit der Vertragsparteien im Sinne von Artikel 1 gewährleisten soll.

(2) Der Ausschuß hat insbesondere die Aufgabe, die Berliner Bauleitplanung, die sonstigen Rechtsverordnungen und Maßnahmen nach dem Baugesetzbuch unter den Vertragsparteien abzustimmen, soweit sie hauptstadtbezogene Auswirkungen haben. Der Senat von Berlin wird, soweit gesetzlich vorgeschrieben, die Ergebnisse der Beratungen dem Abgeordnetenhaus von Berlin unterbreiten.

[...]

Artikel 4: Änderung des

Baugesetzbuches

Die Vertragsparteien sind sich einig, daß die hauptstadtbedingte Bauleitplanung beschleunigt und dabei eine maßgebliche Mitwirkung des Bundes hinreichend gesichert werden soll. Die Bundesregierung wird deshalb den mit dem Senat von Berlin abgestimmten Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Baugesetzbuches als Gesetzesvorlage einbringen (Anlage I).

Artikel 5: Änderung von

Zuständigkeiten

Die Vertragsparteien sind sich einig, daß im Interesse einer zügigen Verwirklichung der Hauptstadtplanung und der damit verbundenen baulichen Vorgaben die in Anlage II aufgeführten Zuständigkeiten in Berlin neu geregelt werden sollen. Der Senat wird deshalb die mit dem Bund abgestimmte Zuständigkeitsregelung als Gesetzesvorlage im Abgeordnetenhaus einbringen (Anlage II).

Artikel 6: Nähere Vereinbarungen

(1) Die Vertragsparteien werden, insbesondere zur Regelung von Einzelfragen, auf der Grundlage dieses Vertrages weitere bilaterale Vereinbarungen schließen, soweit dies zur Sicherstellung der Funktionsfähigkeit Berlins als Hauptstadt erforderlich ist.

(2) Bei einem Wegfall der Bundeshilfe für Berlin [...] infolge der Einbeziehung Berlins in den Finanzausgleich unter den Ländern werden die Vertragsparteien die Abgeltung der aus den Verpflichtungen Berlins gegenüber dem Bund zur Wahrnehmung gesamtstaatlicher Repräsentation sich ergebenden Aufwendungen regeln.

Artikel 7: Geltungsdauer

Der Vertrag gilt auf unbestimmte Zeit. Er kann durch schriftliche Erklärung gegenüber der anderen Vertragspartei zum Ende des auf den Zugang der Erklärung folgenden Kalenderjahres gekündigt werden.

Anlage I

Entwurf eines Gesetzes zur

Änderung des Baugesetzbuches

Der Bundestag hat mit Zustimmung des Bundesrates das folgende Gesetz beschlossen:

Artikel 1

Das Baugesetzbuch [...] wird wie folgt geändert: Nach § 246a wird folgender § 247 angefügt:

§ 247

Sonderregelungen für Berlin als Hauptstadt der Bundesrepublik Deutschland

(1) Bei der Aufstellung von Bauleitplänen und sonstigen Satzungen nach diesem Gesetzbuch oder dem Maßnahmengesetz zum Baugesetzbuch vom 17. Mai 1990 (BGBl. I S. 926) soll in der Abwägung den Belangen, die sich aus der Entwicklung Berlins als Hauptstadt Deutschlands ergeben, und den Erfordernissen der Verfassungsorgane des Bundes für die Wahrnehmung ihrer Aufgaben besonders Rechnung getragen werden (diese und alle folgendenden kursiven Hervorhebungen durch d.Red.).

[...]

(3) Kommt es in dem (oben genannten, d.Red.) Ausschuß zu keiner Übereinstimmung, können die Verfassungsorgane des Bundes ihre Erfordernisse eigenständig feststellen; sie haben dabei eine geordnete städtebauliche Entwicklung Berlins zu berücksichtigen. Die Bauleitpläne und sonstigen Satzungen nach diesem Gesetzbuch oder dem Maßnahmengesetz zum Baugesetzbuch sind so anzupassen, daß den festgestellten Erfordernissen in geeigneter Weise Rechnung getragen wird.

[...]

(5) Bei der Beteiligung der Träger öffentlicher Belange können bei Anwendung des § 4 Abs. 1 Satz 3 auf Bebauungspläne oder Satzungen nach diesem Gesetzbuch oder dem Maßnahmengesetz zum Baugesetzbuch, die dem Ausbau Berlins als Hauptstadt der Bundesrepublik Deutschland dienen, bis zum 31. Mai 1995 § 2 Abs. 4 und 5. § 9 Abs. 1 und 4. § 11 Abs. 2 und § 17 BauGB-MaßnahmenG entsprechend angewendet werden.

(6) Die Vorschriften über den Vorhabens- und Erschließungsplan nach § 246 a Abs. 1 Satz 1 Nr.6 und 10, Satz 2 und Abs. 2 sind bis zum 31. Dezember 1997 auch in dem Teil des Landes Berlin anzuwenden, in dem das Grundgesetz schon vor dem 3. Oktober 1990 galt (d.h. West-Berlin, d.Red). § 246 Abs. 3 ist auf Satzungen über einen Vorhaben- und Erschließungsplan entsprechend anzuwenden.

(7) Die Vorschriften über die gesetzlichen Vorkaufsrechte der Gemeinde nach § 246 a Abs. 1 Satz 1 Nr. 7 sind bis zum 31. Dezember 1997 auch in dem Teil des Landes Berlin anzuwenden, in dem das Grundgesetz schon vor dem 3. Oktober 1990 galt. Das allgemeine Vorkaufsrecht der Gemeinde nach §§ 3 und 12 Baugesetzbuch-Maßnahmengesetz ist bis zum 31. Mai 1995 auch in dem Teil des Landes Berlin entsprechend anzuwenden, in dem das Grundgesetz vor dem 3. Oktober 1990 noch nicht galt (d.h. Ost-Berlin, d.Red). Die der Gemeinde zustehenden Vorkaufsrechte nach diesem Gesetzbuch und dem Maßnahmengesetz zum Baugesetzbuch können im Land Berlin zugunsten des Bundes ausgeübt werden, wenn dieser einverstanden ist.

(8) Die Entwicklung der Parlaments- und Regierungsbereiche in Berlin entspricht den Zielen und Zwecken einer städtebaulichen Entwicklungsmaßnahme nach § 6 Abs. 2 BauGB- MaßnahmenG.

(9) Ist im Rahmen von Genehmigungs-, Zustimmungs- oder sonstigen Verfahren für Vorhaben der Verfassungsorgane des Bundes Ermessen auszuüben oder sind Abwägungen oder Beurteilungen vorzunehmen, sind die von den Verfassungsorganen des Bundes entsprechend Absatz 3 festgestellten Erfordernisse mit dem ihnen nach dem Grundgesetz zukommenden Gewicht zu berücksichtigen. Absatz 3 Satz 2 ist entsprechend anzuwenden.

(10) Widerspruch und Anfechtungsklage eines Dritten gegen die bauaufsichtliche Genehmigung eines Vorhabens der Verfassungsorgane des Bundes in Berlin haben keine aufschiebende Wirkung. Entsprechendes gilt bei bauaufsichtlichen Zustimmungen oder sonstigen Genehmigungen. [...]

Anlage II

Bei Vorhaben des Bundes — wie sie im Gesetzentwurf definiert sind — bedeutet Artikel 1 Nr. 1 und 2 (Bebauungsplanverfahren)

Bisher: Bezirksamt faßt Aufstellungsbeschluß, führt das Verfahren durch, legt den Bebauungsplan der Bezirksverordnetenversammlung zur Zustimmung vor. Bausenator setzt Bebauungsplan fest.

Künftig: Bausenator faßt Aufstellungsbeschluß, führt das Verfahren durch, legt den Bebauungsplan dem Abgeordnetenhaus zur Zustimmung vor und setzt Bebauungsplan fest.

Artikel 1 Nr. 3 (Vorhaben- und Erschließungsplan — VEPl)

VEPl schafft ohne Aufstellung eines Bebauungsplanes die planungsrechtlichen Grundlagen für die Verwirklichung dringender Vorhaben (Wohnungsbau, Sicherung von Arbeitsplätzen, Infrastruktur). Zugleich verpflichtet sich der Träger zur Durchführung des Vorhabens und der Erschließung (Bau von Straßen, Be- und Entwässerung, Stromleitung usw.). Zu diesem Verfahren gehört u.a.: Abklären der Verpflichtungserklärung des Trägers, Aushandeln und Abschluß von Erschließungsvertrag und Durchführungsvertrag.

Bisher: [...] Bezirk führt Verfahren durch, verhandelt mit dem Träger. Planungsrechtliche Zulässigkeit wird durch Rechtsverordnung des Bausenators festgesetzt.

Künftig: Bausenator führt Verfahren durch, verhandelt mit dem Träger. Planungsrechtliche Zulässigkeit wird durch Rechtsverordnung des Bausenators festgesetzt.

[...] (Vergleichbares gilt für die Grenzregelung von Grundstücken und für Grundstückstauschverfahren, d.Red.)

Artikel 3 Nr. 4-6 (Straßenbau)

Bisher: Weitgehende Zuständigkeiten der Bezirke als bezirkseigene Angelegenheit oder übertragene Vorbehaltsaufgabe.

Künftig: Festlegung eines Parlaments- und Regierungsbereichs im Zentrum der Stadt, in dem Planung, Entwurf und Bau aller öffentlichen Straßen der Hauptverwaltung übertragen werden. Ferner soll die Hauptverwaltung generell Planung, Entwurf und Bau von Bundesfernstraßen sowie die Planung von Hauptverkehrsstraßen mit vorwiegend überbezirklicher Funktion übertragen erhalten; sonstige Angelegenheiten der genannten Straßen — mit Ausnahme der Bundesautobahnen — sind als übertragene Vorbehaltsaufgabe der Bezirke vorgesehen.

Artikel 4 Nr. 1 (Baugenehmigungsverfahren)

[...]

Bund läßt durch freien Bauträger (z.B. geplante Bundesbau GmbH im Spreebogen) bauen.

Bisher: Zustimmungsverfahren nach § 67 Bauordnung Berlin nicht möglich. Übliches Baugenehmigungsverfahren. Durchführung durch Bezirk.

Künftig: Zustimmungsverfahren nach § 67 Bauordnung Berlin nicht möglich, übliches Baugenehmigungsverfahren. Durchführung durch Bausenator.

Artikel 4 Nr. 2 und 3 (Naturschutz)

Bisher: Bei Eingriffen in Natur und Landschaft sind u.a. Ausgleichsmaßnahmen im Einvernehmen mit den zuständigen Behörden, d.h. in der Regel mit den Bezirksämtern als Untere Naturschutzbehörden festzulegen.

Künftig: Zuständigkeit der Hauptverwaltung (Oberste Behörde für Naturschutz und Landschaftspflege), soweit ein Vorhaben eines Verfassungsorgans des Bundes betroffen ist.

Artikel 5 (Denkmalschutz)

Bisher: Im ehemaligen Ostteil Berlins liegen die Denkmalschutz-Zuständigkeiten bei den Bezirken.

Künftig: Einheitliche Zuständigkeit der Hauptverwaltung für die ganze Stadt, soweit ein Verfassungsorgan des Bundes betroffen ist.

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