: Die Post kennt kein Geheimnis
■ Bremer Anwälte gegen Datenspeicherung nach Telefonaten
„Im Namen des Volkes“ hat das Bremer Verwaltungsgericht vor einigen Tagen ein Urteil zustellen lassen, dessen Rechtsgrundlage seit März zweifelhaft ist. Selbst die Vorsitzende der zweiten Kammer, Richterin Dreger, kann da kaum widersprechen: „Das kann man so sehen.“ Die Bremer Richter hatten auf Grundlage einer Verordnung entschieden, die das Verfassungsgericht schon außer Kraft gesetzt hatte.
In der Sache geht es um eine komplizierte Frage des Fernmeldegeheimnisses, und damit des Datenschutzes. Mit der neuen ISDN-Technik speichern die Computer der Telekom automatisch die Nummern bei jedem Telefongespräch. Drei Monate lang sollen grundsätzlich diese Daten gespeichert bleiben, um im Zweifelsfall bei Beschwerden der Telefon-Kunden beweisen zu können, warum die Rechnung so und nicht anders ausgefallen ist.
Mit diesem Kunden-Service wird aber auch vereinfacht, wofür die Polizei bisher komplizierte Fangschaltungen benötigte. Auf Antrag soll jeder Telefon-Kunde mit der Rechnung eine genaue Liste bekommen, an welchem Tag mit welcher Nummer wie lange palavert worden ist. Sobald jemand den Hörer hochnimmt, ist damit seine Nummer in der Liste des Anrufenden verzeichnet, ohne daß er sich dagegen wehren könnte. Die Vertraulichkeit des gesprochenen Wortes ist infrage gestellt, Kontakte von Anwälten, Journalisten und sozialen Notruf-Institutionen sind nicht mehr anonym. Und innerhalb einer Familie kann die Haushaltsvorsteherin am Ende des Monats nachvollziehen, mit wem Vattern und mit wem die große Tochter telefoniert hat.
Als der Bremer Anwalt Engel im Auftrage zweier anderer Anwälte gegen diese Neuerung Klage erhob, gab es keinerlei rechtliche Regelung über diese Datenspeicherung. Während das Verfahren schon lief, besserte der Bundespostminister mit einer „Telekom-Datenschutzverordnung“ nach. Die Rechtlosigkeit hatte zwar ein Ende, nur die KundInnen hatten nichts davon. Nach der Verordnung kann der Angerufene nicht gegen die Speicherung seiner Nummer Einspruch erheben. Und der Eingriff ins Fernmeldegeheimnis des Anrufers wird für geringer erachtet als das Interesse der Post, zum Beleg für die Rechnung 80 Tage lang die Daten zu speichern. In dieser Zeit haben auch Strafverfolgungsbehörden und Verfassungsschutz im höheren Auftrag Zugang zu den Telefon-Daten. Weil in der Zwischenzeit eine Rechtsverodnung geschaffen wurde, so entschied das Bremer Verwaltungsgericht im Februar, sei die Klage der beiden Bremer Anwälte zurückzuweisen. (Az. 2 A 8/91)
Bevor das Urteil getippt und zugestellt war, entschied aber das Bundesverfassungsgericht dieselbe Frage anders: Eine Verordnung sei nicht geeignet, den Eingriff in das Fernmeldegeheimnis zu legitimieren. Wenn das Grundrecht aus Art. 10.1 angetastet werden soll, muß dies das Parlament in Form eines Gesetzes regeln. Für dieses Gesetzgebungsverfahren gab das Bundesverfassungsgericht dem Parlament noch einen Hinweis mit auf den Weg: Im Gegensatz zu der bisher vom Postministerium vertretenen Rechtsauffassung sei es durchaus ein Grundrechtseingriff, wenn mit der Telefonnumer Daten des Angerufenen gespeichert würden. „Die gegenteilige Auffassung verkennt Bedeutung und Tragweite von Artikel 10 Grundgesetz.“ (1 BvR 1430/88)
Die Bremer Anwälte sind sich sicher, daß das Bremer Verwaltungsgericht nach diesem BVG- Spruch seine Rechtsauffassung in der Berufung korrigieren muß. K.W.
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