piwik no script img

Krieg und Frieden in Bosnien

■ Serben, Kroaten und Muslimanen vereinbarten bei Londoner EG-Friedensverhandlungen Waffenruhe: Feuerpause ab Sonntag/ Kämpfe in vielen Teilen Bosniens-Herzegowinas dauerten dennoch an

London/Sarajevo (AFP) — Während auch gestern die Kämpfe in Bosnien-Herzegowina wüteten, wurde bei den EG-Friedensverhandlungen in London ein Waffenstillstand vereinbart. Am Sonntag um 20 Uhr soll eine zweiwöchige Feuerpause in Kraft treten. Die Vertreter der am Bürgerkrieg beteiligten Volksgruppen haben nach getrennten dreitägigen Gesprächen unter Vermittlung von Lord Carrington ein entsprechendes Dokument unterzeichnet. Noch bevor das Abkommen zwischen dem muslimanisch bosnischen Außenminister Haris Silajdzic, Serbenführer Radovan Karadzic und dem bosnischen Kroatenführer Marte Boban zustandegekommen war, hatte Lord Carrington jedoch seine Zweifel an der Beständigkeit eines künftigen Waffenstillstands geäußert.

Es wäre besser, so Carrington, erst eine verfassungsmäßige Lösung des Konfliktes zu suchen, die dann zur Einstellung der Feindseligkeiten führen könnte. So hatte der bosnische Serbenführer am Donnerstag bereits den serbischen Kämpfern eine Feuerpause um die seit Tagen umkämpfte Stadt Gorazde befohlen. Ohne Erfolg, wie sich bald herausstellte. Sie wurde nicht eingehalten.

Nach dem nun von den Serben vorgelegten Plan soll zunächst eine ein- bis zweiwöchige Waffenruhe als Denkpause genutzt werden. Ferner boten die Serben einseitig an, alle serbischen Waffen unter Kontrolle der UNO-Truppen zu stellen. Als dritten Punkt sieht das Abkommen sichere Korridore für Zivilisten aus den umkämpften Städten und Dörfern vor. Schließlich sehe das Abkommen weitere Friedensgespräche in London vor.

In vielen Teilen von Bosnien-Herzegowina waren allerdings auch gestern Kämpfe im Gange. Serbische Einheiten sollen, nach übereinstimmenden Berichten von der Front, wieder versucht haben, den durch diese Republik führenden Korridor zu verbreitern, der Serbien mit der Region Kraijna in Kroatien verbindet. Im kroatischen Slavonski Brod wurde sogar Großalarm ausgelöst, da die Stadt von Bosanski Brod aus, das jenseits der Save in Bosnien liegt, mit serbischen Geschützen beschossen wurde. Die Belgrader Nachrichtenagentur meldete darüberhinaus, serbische Einheiten hätten die kroatischen Verteidiger von Bosanski Brod zuvor aufgerieben.

Während an der Nordfront in Bosnien heftig gekämpft wurde, gab es allerdings eine Atempause für das belagerte Goradze. Hier im Südosten des Landes sind rund 70.000 Menschen eingeschlossen. In dieser letzten Hochburg der Moslems in Ostbosnien schwiegen die Waffen weitgehend. Die serbischen Belagerer forderten die Verteidiger auf, bis zum Samstag mittag alle serbischen Geiseln, die in der Stadt gefangengehalten würden, freizulassen.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen