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Die unerträgliche Angst vorm Toreschiessen

■ FC St. Pauli: Trotz eines 2:0 Auswärtserfolgs bei Eintracht Braunschweig kein eitel Sonnenschein am Millerntor / Lorkowski setzte mit Klaus Otten den 6. Stürmer in dieser Saison ein...

: Trotz eines 2:0 Auswärtserfolgs bei Eintracht Braunschweig kein eitel Sonnenschein am Millerntor / Lorkowski setzte mit Klaus Ottens den 6. Stürmer in dieser Saison ein/ 4000 St.Pauli-Fans begleiteten die Kiez-Fußballer

„Wir haben ein gutes Spiel gesehen. Meine Mannschaft hat so weitergemacht wo sie am Mittwoch gegen Darmstadt 98 geendet ist“, resümierte Michael Lorkowski, Coach vom Fußballzweitligisten FC St.Pauli den 2:0 Auswärtssieg bei Eintracht Braunschweig.

Bislang traten die Kicker vom Hamburger Millerntor die Reise nach Braunschweig immer eher mit gemischten Gefühlen an. Große Spiele hatten die mitgereisten Fans eigentlich noch nie von ihren braun-weißen Lieblingen gesehen. Aber neue Besen sollen bekanntlich gut kehren. Unter Lorko soll also alles anders werden.

Eine unkontrollierte Überlegenheit, vorgetragen immer wieder über Peter Knäbel und dem offensichtlich nach Kilometergeld vergüteten Martino Gatti, ließ die einheimische Eintracht nicht ins Spiel kommen und versetzte die mitgereisten 4000 Liebhaber des FC St. Pauli-Kicks in Verzückung. Allerdings: Es gibt ja noch St.Pauli- Stürmer (in diesem Fall Martin Driller und Markus Aerdken), die durch ihr Unvermögen ein einseitiges Spiel nicht in Langeweile verfallen lassen. Damit den Fans aber nicht ganz so unwohl bei dem Gedanken werden sollte, man könnte hier einen Punkt verlieren, da wird als Nervennahrung mal schnell ein Tor fabriziert. So geschehen in der 22. Minute. Gatti hatte sich, mit ausgesprochen freundlicher Unterstützung der Braunschweiger Hintermannschaft, auf die rechte Flügelseite abgesetzt, flankte in den Strafraum, suchte und fand Peter Knäbel, der, völlig freistehend über den Ball drischt. Hinter ihm steht noch Aerdken und in diesem Fall konnte der gar nicht anders: Das Tor war gähnend leer. Diese Chance ließ sich nicht einmal die Neuerwerbung aus Schöppingen entgehen. 1:0 für den Gast aus Hamburg - beruhigend so etwas!

Daß der gute Markus Aerdken es auch anders kann, bewies er ein ums andere Mal. Wenn Michael

Lorkowski die Spitzen Leonardo Manzi und Joachim Philipkowski wegen mangelnder Leistungen in diesem Spiel aus dem Kader verbannt hatte, so steht nun wohl zu befürchten, daß Aerdken und Driller demnächst vereinslos sein werden. Sie allein (nur selten unterstützt von ihren „Arbeitskollegen“ aus dem Mittelfeld) verhinderten einen Kantersieg des FC St.Pauli.

Die Folge kam prompt. Getreu dem eigenen Leitspruch („I'm always change a winning team!“) schickte er Stürmer (?) Nummer fünf und sechs der laufenden Saison

ins Rennen. Andreas Jeschke und Klaus Ottens sollten zeigen, daß die Gerüchteküche nicht zu Unrecht um ein Stürmerproblem brodelt. Probleme anderer Art hatte hingegen Eintracht Braunschweig: Erst nach dem Seitenwechsel, verbunden mit zwei Auswechslungen und der altbekannten Krankheit St. Paulis, 15 Minuten nach dem Wechsel erst einmal die Halbzeitpredigt verdauen zu müssen, erkannte man, daß außer den Hamburgern noch eine weitere Mannschaft auf dem Rasen stand. Ein Strohfeuer, das schnell von der

Lorkowski-Equipe ausgeblasen wurde.

Die Braunschweiger Elf hatte sich zu einem kurzen Betriebsausflug über die Mittellinie (Schlußoffensive) entschlossen, war wieder einmal in der, sehr sicher agierenden, Hamburger Abwehr hängengeblieben und Peter Knäbel auf dem Weg zum Braunschweiger Tor. Im Weg standen außer Torwart und einem Abwehrspieler höchstens noch die bekannten „Künste“ von Stürmerkollege Klaus Ottens, der, mustergültig angespielt, erst einmal orientierungslos mit dem Ball um-

herirrte, bis er das gegnerische Tor entdeckt hatte. Verwunderlich eigentlich nur, daß er den Ball völlig locker an dem herauseilenden Schlußmann Lerch vorbei zum verdienten 2:0 (89. Min.) einschieben konnte. Ab und zu können sie also doch noch treffen. Die Tabelle können sich die St.Paulianer nun erst einmal von der Spitze aus betrachten. Festzustellen bleibt aber, daß es noch ein harter steiniger Weg ins Fußballoberhaus werden wird, wenn die Stürmer nicht langsam lernen, zu treffen. Peter Carstens

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