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Schießen macht Spaß

■ „Angetreten — wofür?“, ZDF, Freitag, 21.15 Uhr

Noch älter als die Zeitung von gestern ist das Fernsehen von morgen. Von der politischen Entwicklung überholt fragte Klaus Prömpers ZDF-Reportage „Angetreten — wofür?“ am Freitag nach dem Sinn der Bundeswehr. Die Antwort lag bereits am Vortag vor: Die große Fahrt des Zerstörers „Bayern“ in die Adria ist für Kriegsminister Rühe nur der Auftakt, deutsche Soldaten wieder regelmäßig in ferne Länder zu schicken. Vielleicht hat Prömpers schon alles so kommen sehen. Anfangs fuhr er noch guter Dinge zur Osteroder Kaserne, um junge Rekruten nach dem Zweck ihres Wehrdienstes zu befragen.

Nach dem Fall der Mauer, der Einverleibung der NVA, der Auflösung des Warschauer Paktes und dem Zerfall der Sowjetunion ist das alte Feindbild der Bundeswehrmacht schließlich zusammengebrochen. Doch die uniformierten Marionetten haben das offensichtlich bis heute nicht geschnallt. Auf seine Frage erhielt Prömpers nur Phrasen und Standardantworten. Die Rekruten verteidigten entweder ihr Vaterland — jeder Staat brauche nun mal eine Armee — oder ihnen machte das Schießen einfach Spaß. Kein Wunder, daß der ZDF-Reporter beim Schneiden die Lust verlor, sein erdrückender Film plötzlich umkippte und abrupt zu Ende ging.

Prömpers Beobachtungen können einen freilich auch vom Hocker reißen: Soldaten sind ohne Feindbild genauso doof wie mit. Da erledigt sich die Rote Armee von ganz allein, und noch immer marschieren sie gröhlend durch die Heide, robben mit Zweigen getarnt durchs Gelände, blöken im Chor „Guten Morgen, Herr Hauptmann“ und springen auf, wenn der Feldwebel um fünf Uhr morgens in die Trillerpfeife bläst. Drill und Gehorsam scheinen vor allem ostdeutsche Jugendlichen der Arbeitlosigkeit vorzuziehen. Die meisten Jungsoldaten, die Prömpers vor die Kamera holte, waren auf Blauhelmeinsätze der Bundeswehr geradezu geil. Hoffentlich, so der Tenor, dürften sie dann auch richtig schießen, Panzer in die Luft sprengen und vielen bösen Feinden den Garaus bereiten. Andernfalls wäre es ja ebenso langweilig wie in der Kaserne.

Ginge es nach den Rekruten, würde wohl auch der Zerstörer „Bayern“ nicht nur in der Adria umhergondeln und Frachtschiffe mit dem Radargerät beäugen. Das Marineboot stünde entweder gefechtsbereit im Bosna-Fluß kurz vor Sarajevo oder granatenspeiend im Schwimmbad von Osijek. Was zu diesem Schlachtschiff aber auch besser passen würde. Etwas härter hinlangen ist halt „bayerische“ Art. Micha Schulze

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