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Bei „Volk und Welt“ wieder alles offen

■ Der geplante Verkauf des Verlags durch die Treuhand ist glücklicherweise geplatzt

Berlin (taz) — Beim Tauziehen um den Berliner Verlag „Volk und Welt“ zwischen Belegschaft und Treuhand ist es zu einem Etappensieg für die Mitarbeiter gekommen: Die Münchener Firma Treuleben und Bischof, die „Volk und Welt“ Anfang Juli zum symbolischen Preis von einer Mark gekauft hatte, ist von ihrem notariell noch nicht beglaubigten Vertrag zurückgetreten.

Der Grund dafür ist wohl der geballte Protest der Verlagsangestellten, der betroffenen Autoren und Übersetzer sowie nicht zuletzt des deutschen Feuilletons gegen diese offenkundige mésalliance. Denn die Jungunternehmer Alexander und Stephan Treuleben, die im Freistaat mit Schreibwaren handeln, hatten sich in völliger Unkenntnis der Situation des nach dem Aufbau-Verlag zweitgrößten und auf ausländische Literatur spezialisierten Belletristik-Verlags zum Kauf entschlossen (die taz berichtete am 10.7.). Damit verbunden war eine Sicherung der 18 Arbeitsplätze für die nächsten 18 Monate sowie die Übernahme der Verlagsschulden in Höhe von drei Millionen Mark. Als Kaufmotivation hatte einer der Brüder gegenüber der Zeit angegeben: „Ich lese gern.“ Bald wollten sie nur noch für zehn der Stellen geradestehen, und auch Zweifel an ihrer Finanzkraft kamen auf, machen sie jährlich doch maximal 1,5 Millionen Mark Umsatz. Die Treuhand enthielt sich jeder Stellungnahme und schürte damit die Wut der Belegschaft, die sich selbst um eine Verlagsübernahme bemüht hatte und von der Finanzierungsgarantien für fünf Jahre verlangt worden waren.

Nachdem die mit minimalen Ansprüchen hofierten Wunschkäufer der Treuhand einen Rückzieher gemacht haben, ist wieder alles offen, und die Übersetzer, Herausgeber und Nachdichter werden wohl noch zögern, bevor sie, wie bereits angekündigt, ihre Rechte zurückziehen. Die Treuhand will nun die Fäden mit abgewiesenen Bewerbern wieder anknüpfen. Zu den verschmähten Kaufwilligen gehört neben der Belegschaft auch die Berliner Volker-Spieß-Gruppe.

In der Zwischenzeit führt der Betriebsratsvorsitzende Dietrich Simon die ohnehin geringer gewordenen Geschäfte: nur noch 40 Titel sind im Programm des Verlags, der zu DDR-Zeiten neben den östlichen Klassikern wie Bulgakow, Ehrenburg oder Platonow auch Bücher renommierter westlicher Autoren wie Frisch, Borges, Márquez oder Freud publizierte. Petra Kohse

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