: Im bosnischen Gorazde brennt der Himmel
■ Vor Inkrafttreten des Waffenstillstandes wurde an allen Fronten Bosniens gekämpft/ Panic besucht Sarajevo
Belgrad/Sarajevo (AFP/dpa/taz) „Werden in Bosnien ab 18 Uhr die Waffen schweigen — oder wird auch diese Feuerpause bereits wenige Stunden nach Inkrafttreten gebrochen werden?“ Diese Frage stellten sich am gestrigen Sonntag vor allem die Einwohner der umkämpften bosnischen Städte Sarajevo und Gorazde. Doch während die einen mutlos auf die noch am Sonntag vormittag anhaltenden serbischen Angriffe in Nordbosnien und auch auf das kroatische Slavonski Brod verwiesen, stellten andere fest, daß die Serben bereits 70% Bosniens — und damit 5% mehr als ursprünglich beansprucht — kontrollieren würden. Ein Grund für weitere Eroberungen sei somit nicht gegeben.
Zu dieser Interpretation der Kriegslage paßt, daß die serbischen Einheiten in der letzten von ihnen beanspruchten Stadt, in Gorazde, in der Nacht auf Sonntag einen neuen Schießbefehl erhielten. „Mit allen verfügbaren Mitteln sollten alle Einheiten auf eventuelle Angriffe antworten“, hieß es in dem am Sonntag in Sarajevo veröffentlichten Beschluß der serbischen Militärführung. Und dieser Befehl wurde dann auch in die Tat umgesetzt. Ein Reporter von Radio Sarajevo: „Es ist die Hölle los, und der Himmel brennt“. Bei dem Kampf „Mann gegen Mann auf Leben und Tod“ könnten jedoch die Moslems ihre Stellungen gegen die waffentechnisch überlegenen serbisch-montenegrischen Angreifer halten.
In der anderen der beiden umkämpften Städte, in Sarajevo, traf dagegen am Sonntag nachmittag der jugoslawische Ministerpräsident Panic ein. Ziel des Besuches sei es, so der Hoffnungsträger vieler Serben, „Frieden zu stiften“. Er wolle die Soldaten in Bosnien-Herzegowina auffordern, eine „weiße Armbinde anzulegen“. So werde sich herausstellen, „wer für den Frieden ist“, fügte Panic hinzu. Der Ministerpräsident tritt außerdem für eine „Entmilitarisierung“ Bosniens ein.
Bei der Ankunft Panics auf dem Flughafen herrschte große Aufregung. Panic kündigte an, er werde für Jugoslawien „einen ersten Panzer der UNO übergeben“. Die Führer der drei Konfliktparteien — Serben, Kroaten und Moslems - hatten sich beim Abschluß der Waffenruhe am Freitag in London darauf verständigt, sie wollten alle schweren Waffen der UNPROFOR übergeben. Der Sprecher der UNO-Soldaten in Sarajevo sagte, seine Leute hätten noch kein Mandat der Vereinten Nationen, die schweren Waffen zu kontrollieren, sammelten aber trotzdem Informationen über sie.
Auf der Suche nach Hoffnung für einen baldigen Frieden war auch der britische Premier Douglas Hurt am Wochenende durch das ehemalige Jugoslawien gereist. Dabei bekräftigten sowohl der serbische Präsident Milosevic als auch Kroatiens Staatsoberhaupt Tudjman, daß sie die territoriale Unversehrtheit Bosniens achten würden. Sie seien bereit, in den 14 Tagen, die der Waffenstillstand halten soll, weiter zu verhandeln.
Die UNO-Friedenstruppe der Blauhelme in Kroatien hat zwei Todesopfer zu beklagen. Zwei französische Soldaten wurden, einer Meldung der kroatischen Nachrichtenagentur HINA zufolge, in der Nähe der kroatischen Adriastadt Zadar von einer Mine zerrissen. Am Flughafen von Sarajevo war am Freitag ein kanadischer Soldat verwundet worden. Unter Beschuß kam in der Nacht zum Sonntag ein französisches Transportflugzeug mit Hilfsgütern an Bord. Das Flugzeug erhielt Treffer in Rumpf und Tragfläche. her
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