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Männerklatschtirade

■ betr.: "Verein der Wiedergänger", taz vom 14.7.92

betr.: „Verein der Wiedergänger“ von Reinhard Mohr,

taz vom 14.7.92

Der dümmlichen Demagogie von Reinhard Mohr liegt ein Denken zugrunde, wie es in Deutschland schon vor 50 Jahren viele kleine Mitläufer selbstgefällig praktiziert haben. Ist er sich eigentlich bewußt, daß er damit den Boden bereitet für Vorfälle wie den Anschlag auf Heym. Springer hat damals mit Dutschke gezeigt, wie es geht. Kontinuität bürgerlicher deutscher Presse...

Hat Mohr, auch wenn er mit einem abgewandelten Zitat von Marx glänzt, geschichtliche Zusammenhänge überhaupt verstanden, die bis in die Reihen der SPD nicht nur begriffen, sondern auch akzeptiert wurden? Oder möchte er sich, um diese Vermutung noch einmal zu strapazieren, für eine Karriere bei der FAZ empfehlen?

Warum ist die taz so verlogen und gibt immer noch einen linken Anspruch vor, wenn sie sich von rechtskonservativen Blättern immer weniger unterscheidet? Holger Hertwig, Bremen

Versehen mit der Unterzeile „Kleiner Leitfaden durch das ,Komitee für Gerechtigkeit‘“, veröffentlicht die taz in der Ausgabe vom 14.7. einen Beitrag von Reinhard Mohr, nach dessen Lektüre ich mich zunächst gefragt habe, welche Kopfschmerzen dieser Aufsatz wohl den Anwälten der taz bereitet hat. Ich stelle mir vor, daß die willkürliche Aneinanderreihung beleidigender Äußerungen gegen Personen des öffentlichen Lebens in der taz zu Schwierigkeiten für sie führen kann.

Da die Ausführungen Reinhard Mohrs unter der Rubrik „Debatte“ abgedruckt sind, habe ich den Artikel noch einmal gelesen und war dann ratlos. Worüber soll ich denn mit Herrn Mohr debattieren? Aus seinen mehr oder weniger geistreichen Wortspielereien geht das nicht hervor. Werner Doerwald, Hamburg

Um des Himmels willen, Herr Mohr, suchen Sie sich bitte, bitte umgehend einen Exorzisten! Mir scheint, da haben wohl die ruhelosen Seelen aller toten kalten Krieger der letzten 43 Jahre Besitz von Ihnen ergriffen. Herr im Himmel! Die werden Sie am Ende noch zwingen, dem „Komitee für Gerechtigkeit“ einen „Kampfbund für Ungerechtigkeit“ entgegen zu gründen. Da stünden Sie aber dumm da, den gibt's bereits in Bonn.

Lieber Herr Mohr, da Sie wissen, welche böse Gewalt die Untoten über uns arme Menschlein haben, so wir denn von ihnen heimgesucht werden, tun Sie etwas für Ihr Seelenheil. Der Pontifex möge Ihnen helfen. Hans Gräfer, West-Berlin

Mein Resümee: Stoßen ein hohler Artikel und ein hohler Kopf zusammen — wer ist dran schuld — der Artikel oder der Kopf? Übrigens, daß oben genannte Männertypen ihre Klatschtiraden zugeben, ist neu, daß sie klatschen, ist uralt!

Er liebt eben die großen Trottel- Posen in egoistischem Berufsbezogenheits-Klangbrei à la Musterminderheits-Ausdruck. So gesehen gibt es nichts Lächerlicheres als einen stolzen Reiter, dessen Pferd gerade den After öffnet: Wenn die Phrase sich aufs hohe Roß setzt, muß dieses seine Würde verlieren. Ein typisches Convenience-Produkt: siehe oben! Hey, taz intern: auch Du auf jene Abwege? Lisa Leske, Hamburg

Lieber Herr Mohr, da haben Sie ja ein journalistisches Meisterstück geliefert: pointiert formuliert die „Alte Garde“ fertiggemacht. Spaß hat Ihnen sicher diese Aneinanderreihung von hohlen Phrasen und witzig gemeinten Metaphern gemacht, nur trifft das alles im Kern die Wahrheit?

Was ist daran falsch, wenn die Bewegten aus dem Westen den Menschen im Osten versuchen klarzumachen, daß nur der Widerstand und die eigene Interessenvertretung gegen die Mächtigen hilfreich sind — im Osten wie im Westen. Alle die von Ihnen niedergemachten „Friedenskämpfer“ etc. waren doch jahrelang unsere Hoffnung und unsere moralische Stärkung im westlichen Kampf um Frieden, Demokratie, Frauen- und Minderheitenrechte, Ökologie und Gerechtigkeit.

Beerdigen wir jetzt auch gleich die Bürgerbewegungen im Westen, weil der Osten gefallen ist? Haben nicht unsere Bewegungen großen Anteil daran, daß es hier nicht noch schlimmer aussieht? Legen wir all unsere Kämpfe ab unter Irrtum und nichts gebracht, nur weil es zur Zeit opportun ist, festzustellen, nur der Kapitalismus hat Zukunft? Löst denn dieser Kapitalismus irgendein Problem dieser Erde? Sind nicht unsere Bewegungen notwendig als Korrektur der Profitwirtschaft?

Leider leiden auch unsere Bewegungen an Auszehrung, nicht zuletzt vielleicht auch deshalb, weil sich willfährige Journalisten in Yuppiemanier darüber lustig machen und auf die Stärke der Mächtigen setzen. Sicher kann man bedauern, daß sich im Osten die Bürgerinitiativen nicht spontan von unten entwickeln — aber ist das denn so verwunderlich nach zwei Diktaturen?

Besonders Dorothee Sölle hat es Ihnen wohl angetan. Ich bin zwar Atheistin, aber ich habe immer den Mut diesr Frau bewundert. Nur, sie macht natürlich Männern Angst. Sollten Sie Angst haben vor den Veränderungen, die Frauen bewirken können, wenn sie denn die Bevormundung der Männer abschütteln? Ich gebe zu, ich bin so eine „Betroffe, die sich seit den fünfziger Jahren auflehnt gegen die Zumutungen unserer Mächtigen, besonders im Westen — denn im Osten hatte ich nun überhaupt keinen Einfluß. Hier lebe ich und hier versuchte und versuche ich, die Lebensverhältnisse so zu gestalten, daß auch Minderheitenmeinungen, die ja, wie sich zeigt, nach vielen Jahren und Kämpfen mehrheitsfähig sind, gehört werden.

Nun, ich denke, Ihr Artikel hat viel Kontroversen hervorgerufen, sollte er das, oder denken Sie wirklich so? Ilse Bruder, Leiferde

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