: Sudan hofft auf neue IWF-Kredite
■ Khartum will Fonds mit Liberalisierungskurs beeindrucken/ Krieg kostet 3,5 Millionen Mark am Tag
Khartum/Berlin (dpa/taz) — Das tägliche Überleben ist für viele Sudanesen schwieriger geworden: Die Regale in den Läden und die Karren der Straßenhändler in der Hauptstadt Khartum sind jetzt zwar gefüllt, die meisten Waren für die Masse der Bevölkerung aber unerschwinglich. Durch das im Januar von überraschten westlichen Wirtschaftsexperten als „fast sensationell“ eingestufte Liberalisierungsprogramm, bei dem zunächst die Devisenkurse freigegeben und Subventionen abgebaut wurden, sind die Preise um bis zu 275 Prozent gestiegen.
Sensationell war das Programm vor allem in seinen politischen Auswirkungen. Nach Preissteigerungen von 100 bis 200 Prozent für Grundnahrungsmittel, Gas und öffentliche Verkehrsmittel kam es im Februar zu mehrtägigen Straßenprotesten in Khartum, dem Hafen Port-Sudan am Roten Meer und anderen wichtigen Städten. Die Studenten traten in den Streik, Kriegsinvaliden demonstrierten gegen ihre schlechte Versorgung. Mehrere Minister wurden daraufhin entlassen. Der Mindestlohn stieg auf monatlich 1.200 sudanesische Pfund — weniger als 20 Mark.
Die Hoffnungen, das Programm würde zu einem raschen Wirtschaftsaufschwung führen, haben sich auch seither nicht erfüllt. „Wir sind in einer sehr kritischen Situation und müssen versuchen, die Balance zu halten“, sagt Finanzminister und Ex- Bankier Abdel Rahim Mahmoud Hamdi. Er soll mindestens 25 Staatsunternehmen privatisieren, darunter die staatliche Fluggesellschaft. Dadurch, so hofft das islamistische Militärregime, könne man zusätzliche Einnahmen erzielen — Einnahmen, die dringend benötigt werden: Das Land hat 14 Milliarden Dollar Auslandsschulden, im Staatsbudget für das Haushaltsjahr, das im Juli begann, muß ein Defizit von umgerechnet 1,4 Milliarden Mark gedeckt werden.
Westliche Kredite gibt es bislang nicht — seit 1986 gilt der Sudan als kreditunwürdig. Zudem wird die seit 1989 regierende Militärjunta schwerer Menschenrechtsverletzungen beschuldigt. Sie hat im Golfkrieg den Irak unterstützt und gilt jetzt als Alliierter des Irans. Ihr wird vorgeworfen, extreme islamistische Strömungen in anderen nordafrikanischen Ländern wie Ägypten und Tunesien bis hin zu Waffenlieferungen zu unterstützen.
Eine Voraussetzung für die wirtschaftliche Gesundung ist das Ende des Bürgerkriegs im Süden des Landes. Der seit Februar intensivierte Kampf des Militärregimes gegen die Rebellen verschlingt nach Schätzungen von Militärexperten inzwischen mehr als 3,5 Millionen Mark am Tag.
Die Kriegsschäden, das Flüchtlings- und Hungerelend und die dadurch verursachten massiven Bevölkerungswanderungen innerhalb des Landes haben die einst blühende Landwirtschaft fast völlig zerstört. „Die Investoren werden kommen, weil in der Landwirtschaft ein immenses Potential liegt“, glaubt Finanzminister Hamdi dennoch. Aber bisher lassen größere Investitionen auf sich warten, obwohl die Lizenzpflicht für die meisten Ein- und Ausfuhren aufgehoben wurde.
„Mal gibt es keine Rohstoffe, mal keinen Strom“, sagt ein sudanesischer Unternehmer, der seine Baumwollspinnerei stillgelegt hat. Zudem hemmen sinkende Kaufkraft und steigende Kosten die Produktion. Bauern, die dieses Jahr eine Rekordernte einfuhren, warnen, daß sie die nächste Kampagne nicht mehr finanzieren können. Zu Buche schlägt vor allem, daß der Preis für eine Gallone Diesel von knapp 0,70 auf 1,90 Mark gestiegen ist.
Die Militärregierung hofft nun, durch ihre radikalen Reformschritte einen drohenden Ausschluß aus dem Internationalen Währungsfonds (IWF) abwenden zu können und sogar wieder neue Kredite zu bekommen. Der IWF, der im vergangenen Jahr Khartum noch einmal eine Galgenfrist einräumte, will in diesem Monat darüber beraten.
Die Finanzhüter in Washington fordern vor allem eine drastische Einschränkung des chronischen Staatsdefizits. Dafür wäre aber ein Ende des Krieges im Süden nötig — und das ist nach dem Scheitern der Friedensverhandlungen vom Mai nicht in Sicht. Vielmehr scheint die Regierung entschlossen, die SPLA- Guerilla bis an die Grenzen zu Äthiopien, Uganda und Zaire zurückzuwerfen. D.J.
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