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Bremer Lauschpraxis rechtswidrig

Erfolgreiche Klagen gegen Telefonüberwachung/ Verwaltungsgericht setzt neue „G-10“-Maßstäbe  ■ Aus Bremen Klaus Wolschner

„Das Briefgeheimnis sowie das Post- und Fernmeldegeheimnis sind unverletzlich“, so steht es in der Verfassung der Bundesrepublik in Artikel 10. Eingriffe in dieses Grundrecht durch den Verfassungsschutz, die „zum Schutze der freiheitlich-demokratischen Grundordnung“ erforderlich sind, können nur durch die parlamentarischen „G10“-Kommissionen beschlossen werden.

Ob sich die Ämter für Verfassungsschutz, die Innenminister und die G10-Kommissionen an diese schönen Verfassungsgrundsätze halten, ist in aller Regel nicht nachprüfbar — die von einem Eingriff in das Grundrecht betroffenen Personen werden nur in Ausnahmefällen davon informiert.

Die Bremer G10-Kommission war 1990/91 so liberal und informierte zwei Bewohner einer als „Autonome Zelle“ verdächtigten Wohngemeinschaft darüber, daß ihre Telefonate zwischen dem 21. April und 31. Mai 1989 abgehört wurden. Die Betroffenen klagten vor dem Bremer Verwaltungsgericht gegen die Überwachung und erhielten jetzt recht. Der Antrag des Landesamtes für Verfassungsschutz, so das Gericht in beiden Fällen, sei „weder substantiert noch nachprüfbar“. Der Verfassungsschutz habe „eine formelhafte Begründung“ verwendet, „die sich im wesentlichen auf die Wiedergabe der gesetzlichen Regelung beschränkt“. Da die Begründung des Verfassungsschutzes in beiden Fällen dieselbe war, mußte das Gericht den Eindruck gewinnen, daß vorgefertigte Begründungen benutzt würden. In einem Fall, so das Gericht, erwecke der Antrag den Eindruck, daß gegen den Überwachten selbst kein relevanter Verdacht vorlag, sondern nur gegen einen Mitbewohner in der Wohngemeinschaft. Zusammenwohnen rechtfertige aber keinen Eingriff in Grundrechte. (Az 2 A 47/91 und 24/91).

Diese Entscheidung ist die erste, die die Abhörpraxis des Bremer Verfassungsschutzes überprüft. Die Innenbehörde hat auf Berufung gegen das Urteil verzichtet, sie will für die Antragstellung bei Abhörmaßnahmen Konsequenzen ziehen. Da die Landesämter für Verfassungsschutz sich intern über die Praxis gegenüber den G10-Kommissionen austauschen, dürfte dieselbe rechtlich anfechtbare Praxis unter dem Schutz der Geheimhaltung in anderen Bundesländern auch seit Jahren der Normalfall ist.

Die Überwachungsmaßnahmen wurden nur in einigen Fällen den Betroffenen mitgeteilt, den Mut zur Klage fand bisher niemand.

Auch die G10-Kommission des Bremer Landesparlaments, die den Grundrechtsschutz der Bürger gegen die Sicherheitsinteressen des Staates gewährleisten sollte, hatte bisher ohne gerichtlich nachprüfbare Anträge derartige Überwachungsanträge beschlossen. Wie der Vorsitzende gegenüber der taz einräumte, hatte die G10-Kommission in den beiden Fällen den schriftlichen Antrag überhaupt nicht gesehen, sondern nach mündlichem Vortrag des Verfassungsschutzes ihr Jawort gegeben. In den beiden Bremer Fällen war die Telefonüberwachung durch den Verfassungsschutz selbst vorzeitig abgebrochen worden: Er war auf der Spur einer anonymen Autonomen Zelle „Steve Biko“, die sich zu einem Anschlag auf ein AEG-Gebäude bekannt hatte. Die Beschäftigung des Verdächtigten mit Steve Biko, so hatte das Amt per Telefonüberwachung herausgefunden, war „rein musikalisch“ gewesen.

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