piwik no script img

Hanf als Nutzpflanze

■ betr.: "Hanf-Kampagne", taz vom 17.7.92

Betr.: „Hanf-Kampagne“ Köln

(und Artikel: „In der Luft hing so ein gewisser Duft“) von Walter Jakobs, taz vom 17.7.92

Hanf scheint doch wieder ein Thema für Euch zu sein. Nun wollen wir Euch natürlich auch das Ergebnis dieses ersten Treffens mitteilen.

Eröffnet wurde das Treffen in der Kölner Feuerwache von Hans- Georg Behr, der die Geschichte der Hanf-Prohibition kurz umriß und auch einiges über die medizinische Anwendung zu berichten wußte. Als Mediziner und Gutachter, unter anderem für die von Richter Nescovic initiierte „Recht auf Rausch“-Urteilsfindung des BVG, konnte er fundierte Informationen vermitteln und kritischen Fragen informativ, sogar unterhaltend antworten.

Chris Conrad, Gründer der amerikanischen BACH (Business Alliance for Commerce in Hemp), schilderte die Arbeit seiner Organisation und den seit langem ignorierten industriellen Aspekt der Hanfpflanze. Die etwa 50 Niederlassungen von BACH und die etwa 400 anderen Hanf-Initiativen haben in den USA schon einiges bewirkt. Sie konzentrieren sich auf die industriellen und medizinischen Aspekte der Hanfpflanze, aus der man ja neben 200 verschiedenen Heilmitteln so gut wie alles herstellen kann: Papier, Textilien, Treibstoff, Nahrungsmittel, Kunststoff, Baumaterial usw. Der ökologische und wirtschaftliche Aspekt hat auch in der amerikanischen Industrie einige zum Umdenken bewegt. Das wichtigste Fachblatt der Papierindustrie beispielsweise forderte, die wesentlich produktivere, erosionshemmende und ökologisch sinnvollere Pflanze statt der üblichen Waldabholzung zur Papiergewinnung einzusetzen. Aus einem Quadratmeter Hanf kann man übrigens auch doppelt soviel Energie als alternativer Treibstoff gewinnen wie aus Raps, mit dem ja immer noch geforscht wird. Als Textilfaser ist die Hanffaser wesentlich stabiler und ökologischer zu gewinnen als Baumwolle.

Hanf ist die produktivste bekannte Kulturpflanze und sollte auch unter diesem Gesichtspunkt betrachtet werden. Chris Conrad brachte einige Beispiele der Hanfnutzung mit: Seile, Papier, Tücher und sogar ein Hemd, nicht von einem Baumwoll- Jeanshemd zu unterscheiden. Er verdeutlichte die Möglichkeiten, mit Hanf gegen den Treibhauseffekt, Erosion und Wüstenbildung zu arbeiten, ökonomische Perspektiven nicht nur für die amerikanische Landwirtschaft und die vielfältige Produktivität, die mit keiner anderen Pflanze zu vergleichen ist.

Etwa 70 Leute besuchten das Treffen, von „jungen Kiffern“ bis „alten Recken der Legalisierungsbewegung“ und rein medizinisch Interessierten war ein breites Spektrum vertreten. Ein Vertreter des Vereins Schweizer Hanf-Freunde, der Gründer des Bremer Headshop-Großhandels „Udopea“, der Leverkusener Drogenbibliothekar „Droginform“, Oliver Becker, der die Busreisen in das niederländische Cannabis-Gewächshaus veranstaltet, und andere im Drogenbereich seit langem arbeitende Menschen bildeten ein kontroverses Diskussionsforum.

Oliver Becker regte dann auch die Gründung eines Vereins an. Ein Netzwerk, ähnlich der BACH, das sich in seiner Arbeit nicht auf das „Recht auf Rausch“ des Kiffers beschränkt, sondern Hanf als Nutzpflanze bekannt macht. Die anwesenden Engagierten bildeten eine Arbeitsgrundlage, auf der sich ein Netzwerk schnell und effektiv etabliren kann. Hans-Georg Behr versprach, mit einigen anderen Experten, wie beispielsweise Prof. Quensel von der Bremer Universität, ein wissenschaftliches Komitee der Initiative beizusteuern. Oliver Becker plant, seinen Wuppertaler Headshop aufzugeben und sich ganz der Arbeit im Netzwerk zu widmen.

In Kürze wird das erste Gründungstreffen stattfinden, ein Konzert in Köln ist geplant, wir hoffen bis Ende des Jahres Kontakte in allen größeren Städten aufgebaut zu haben.

Deutschland hat schon einige Legalisierungskampagnen spurlos an sich vorübergehen lassen. Jetzt sind neue Ansätze gefragt. Die Pflanze muß wieder als Hanf ins Bewußtsein kommen, das Rauchen der Blüten, Marihuana kiffen, ist eigentlich nur ein angenehmer Nebeneffekt der Nutzung. Aber die jährlich von der Polizei verfolgten 65.000 Kiffer, die fast immer wegen kleinster Mengen kriminalisiert werdern, dürfen dabei nicht vergessen werden. Jake Gluckman, Köln

Kontaktadresse für Interessierte: Oliver Becker, Osterfelder Str. 2, 5600 Wuppertal 1,

Tel.: 0202/304295,

Fax: 0202/316795

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen