QUERSPALTE: Clausewitz. Heiß.
■ Das Wetter ist potentiell mörderisch. Soldaten sind es auch.
Michel Foucault hat, frivol wie alle Franzosen, als erster den Gedanken aufgebracht, die berühmte Formel Clausewitz', der Krieg sei die Fortsetzung der Politik mit anderen Mitteln, sei eigentlich eine Umkehrung: Es sei die Politik die Fortsetzung des Krieges mit den ihr eigenen und, wie wir wissen, untauglichen Mitteln. Dieser Gedanke hat die Linke als Erkenntnisguerilla lange Zeit beseelt, bevor sie sich zum Berufsrenegatentum entschloß und nun (z.B. angesichts des kriegerischen Ausnahmezustandes Ost-West) leicht konsterniert feststellen muß, daß sich eine Einsicht nicht erledigt, wenn der Diskurs die Formeln wechselt: Streit und Diskussionskultur sind nicht ganz dasselbe, und eine Leiche im Keller ist trotzdem tot.
Es ist aparterweise der Bundeswehr zu danken, daß gewisse heilpädagogische Maßnahmen der politischen Sprache als solche wieder kenntlich wurden: ein Major und ein Zeitsoldat befürworteten die Aussage, „alle Soldaten sind potentielle Mörder“, wurden dafür abgestraft und nun vom Bundesverfassungsgericht wieder freigesprochen. Sehen wir davon ab, daß nicht nur Soldaten, sondern wir alle potentielle Mörder, Rentner und Erdbeerpflückerinnen sind, der Streit und das Urteil also getrost als gegenstandslos und Ergebnis einer Sprachverwirrung betrachtet werden dürfen, begrüßen wir doch den Umstand, daß ein wahrer und zugleich sinnloser Satz geäußert werden und damit in Konkurrenz treten kann zu allen anderen Fehlformulierungen, die uns das politische Leben täglich beschert. Betriebe werden nicht dichtgemacht, sondern abgewickelt, die Arbeitslosigkeit heißt Kurzarbeit Null, Entlassungen werden zu Freisetzungen, und wenn es mit uns allen abwärts geht, dann nennen wir das negative Zuwachsraten. Die Rationalität der Schönfärberei hat das Gewaltmonopol des Staates kreativ erweitert und wiegt uns alle in der beschaulichen Illusion, die Gesellschaft befinde sich im Frieden mit sich selbst. „Und erst oberhalb dieses Gewirkes aus Körpern, Zufällen und Leidenschaften, oberhalb dieses dunklen und manchmal blutigen Gewimmels bildet sich etwas Zerbrechliches und Oberflächliches: eine wachsende Rationalität, die Rationalität der Kalküle, der Strategien, der Listen, der technischen Verfahren zur Aufrechterhaltung des Sieges, zum scheinbaren Verstummen des Krieges, zur Bewahrung oder Umstürzung des Kräfteverhältnisses.“ So Foucault zur Politik, der Fortsetzung des Krieges mit den Mitteln der Imago-Produktion. Der korrekte Gebrauch der Sprache beschränkt sich bei den meisten Medien auf den Wetterbericht — und selbst dieser ist nur allzu selten wahr. So sagen wir unumwunden und ohne alle Schönfärberei an dieser Stelle nur: Es war heiß gestern. Heiß, heiß. Es gibt kein genaueres Wort dafür. Elke Schmitter
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