MIT POLENS STREIKS AUF DU UND DU
: Berüchtigte Steuern

Kupfer- und Kohle-Arbeiter gegen Lohnzuwachssteuer  ■ Aus Warschau K. Bachmann

Seit Montagmorgen befinden sich die 40.000 Beschäftigten des Kupferkombinats im niederschlesischen Lubin im Generalstreik. Zugleich traten nach Gewerkschaftsangaben insgesamt 23 oberschlesische Kohlegruben in Warnstreiks. Sie fordern eine Abschaffung der Lohnzuwachssteuer und Lohnerhöhungen, in einzelnen Fällen auch Arbeitsplatzgarantien.

Zu der Streikwelle war es gekommen, nachdem sich eine Regierungsdelegation mit Sozialminister Kuron an der Spitze in Kattowitz am Wochenende nicht mit Gewerkschaftsvertretern über eine Abschaffung der berüchtigten Lohnzuwachssteuer hatte einigen können. Die Steuer sieht für Betriebe, die ihre Lohnfonds über den an die Inflation angepaßten Index hinaus überschreiten, eine Strafsteuer von 500Prozent vor und schränkt damit Lohnerhöhungen weitgehend ein. Den Mechanismus hatte Polens Ex- Finanzminister Balcerowicz 1989 eingeführt, um damit die Lohn- Preis-Spirale abzufangen und ein Anwachsen der Inflation durch Lohnerhöhungen zu verhindern. Die Steuer behandelt alle Staatsbetriebe gleich, unabhängig davon, ob sie Gewinne oder Verluste erwirtschaften, Privatbetriebe allerdings sind von der Steuer befreit.

Polens neuer Finanzminister Jerzy Osiatynski hat bereits eine teilweise Aufhebung der Steuer angekündigt, allerdings sind dazu komplizierte rechtliche Vorbereitungen notwendig. Die Steuer soll durch eine nach dem Betriebsergebnis differenzierende Steuer ersetzt werden. Dies werde allerdings, warnte Osiatynski zugleich, zu einem beschleunigten Anstieg der Arbeitslosigkeit führen — mit befürchteten Arbeitslosenraten von 30Prozent gerade an den Bergbaustandorten.

Bereits am Donnerstag hatten sich die Direktoren der bestreikten Gruben mit der Gewerkschaft Solidarnosc auf einmalige Abschlagszahlen für die Bergleute geeinigt. Vizepremier Henryk Goryszewski, in der Regierung zuständig für die Wirtschaftspolitik, hatte erklärt, er werde jeden Grubendirektor zur Verantwortung ziehen, der Lohnerhöhungen verspreche, ohne die Mittel dazu zu haben. Die Regierung sei der falsche Adressat für solche Forderungen, „die Betriebe sind selbständig und finanzieren sich selbst“.

Da sie aber der bisher ausgebliebenen Umstrukturierung und Privatisierung in Schlesien wegen immer noch staatlich sind, forderten Gewerkschafter die Regierung auf, in Kattowitz zu verhandeln. Nach der von der Regierung verworfenen Einigung in Kattowitz begann der Streik in Lubin. Ebenfalls gestreikt wird seit Wochen in dem in Zentralpolen gelegenen, von der Schließung bedrohten Rüstungswerk Mielec.