: Neulich bei unsrer BVG
■ Aus der Reihe »Abenteuer im Alltag«
Es ist immer wieder beruhigend, an die Konstanten im hektischen Alltag erinnert zu werden: Die zuverlässige Unfreundlichkeit der BVG gehört zu den Prachtbeispielen auf diesem Gebiet. Wer studiert, bekommt zwar billigere Monatskarten, muß aber seinen Status beweisen und bekommt einen Aufkleber auf seine Monatskarte, auf dem steht, wie lange er oder sie »ermäßigt« fahren darf. Natürlich kauft man sich gelegentlich die Monatsmarken am Automaten und vergißt, den Aufkleber erneuern zu lassen, schließlich zeigt der Studentenausweis, daß man studiert... Tja, das finden Sie vielleicht einleuchtend, das BVG-Personal hält sich aber nicht an solche simple Logik, sondern an die Vorschriften.
Es ist das Verdienst eines Busfahrers, uns an diese Vorschriften erinnert zu haben: Man betritt einen Bus und wird wegen dem überfälligen Aufkleber auf der Monatsmarke angeschnauzt. Nun ja, man entschuldigt sich, zeigt den Studentenausweis und versichert dem schlechtgelaunten Herrn, den Aufkleber demnächst erneuern zu lassen. Er reißt einem die Monatsmarke aus der Hand, schaut sie an und steckt sie ein. Im Klartext: Er behält sie, mitten im Monat, eine bezahlte Monatskarte, dieser kleinkarierte, frustrierte Uniformträger. Man zeigt ihm nochmals den gültigen Studentenausweis, fragt, was solche Spielchen sollen, zahlt sogar einen Fahrschein und verlangt genervt wenigstens die Monatskarte zurück. Logischerweise pocht der Uniformträger auf die Vorschriften [Wenn sie die nicht hätten — was wäre dann der deutsche Mann? d. säzzer] und weigert sich, die Monatsmarke von der Karte zu lösen: Darf er nicht, will er nicht und überhaupt. Wahrscheinlich ist er im Recht, das Recht ist immer auf der Seite solcher Gestalten. Daß du studierst und einen Ausweis hast, der das bestätigt, genügt nicht: Du brauchst einen Aufkleber, der beweist, daß du einen Ausweis hast, der beweist, und so weiter. Daß du deinen Studentenausweis vorzeigst, hindert keinen schlechtgelaunten Busfahrer daran, dir die Monatskarte aus der Hand zu reißen, für die du gezahlt hast.
Das ist fast alles, was man über dieses Land und seine Sitten wissen muß: eine Uniform, eine Vorschrift und eine klebrige Lust an dem kümmerlichen Fetzen Macht. Same old story. Die Autoindustrie wird sich für die tätige Werbung der BVG bedanken, die Smogwerte auch. P. Laudenbach
[Erinnerung für den Autor und alle, die in ähnliche Situationen geraten: Vor Jahren schnappte sich zum Ausgleich ein Fahrgast den Stempel des Busfahrers — sie sahen sich vor Gericht wieder. Natürlich ist ein rechtlich durchaus umstrittenes Verhalten! d. säzzer]
Eine Koalition, die was bewegt: taz.de und ihre Leser:innen
Unsere Community ermöglicht den freien Zugang für alle. Dies unterscheidet uns von anderen Nachrichtenseiten. Wir begreifen Journalismus nicht nur als Produkt, sondern auch als öffentliches Gut. Unsere Artikel sollen möglichst vielen Menschen zugutekommen. Mit unserer Berichterstattung versuchen wir das zu tun, was wir können: guten, engagierten Journalismus. Alle Schwerpunkte, Berichte und Hintergründe stellen wir dabei frei zur Verfügung, ohne Paywall. Gerade jetzt müssen Einordnungen und Informationen allen zugänglich sein. Was uns noch unterscheidet: Unsere Leser:innen. Sie müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 50.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Es wäre ein schönes Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen