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Die Frau, von der man spricht

■ Eine Art »Nachlese« zur Kölner Feminale: Der »Verein zur Förderung feministischer Film- und Bildungsarbeit« zeigt Filme und Videos von Frauen im K.O.B.

Regina Schütze vom »Verein zur Förderung feministischer Film-Bildungsarbeit« initiiert mittlerweile zum dritten Mal die Reihe »Filme und Videos von Frauen«. Quasi als Nachlese der Feminale 1992, die Ende Mai zum sechsten Mal in Köln über die Bühne ging, werden im K.O.B. und im Araquin 17 Regiearbeiten von Künstlerinnen internationaler Provenienz zu sehen sein.

Die Feminale versteht sich laut Programmheft »nicht als Frauenfilmfestival, sondern als feministisches Filmfestival«, das eine »Gegenkultur« zur männlich dominierten Film- und Festivalindustrie propagiert und dessen Programm zwischen »Ästhetik und Ideologie« angesiedelt ist.

Von 350 eingereichten Arbeiten wurden 66 zu einem Programm zusammengefügt, das auf die Schwerpunkte »Islam« und »Filme lesbischer Lebensweisen« ausgerichtet ist. Da bezüglich des Filmformats keine Einschränkungen auferlegt werden, gibt es Jahr für Jahr lange Spiel- und kurze Experimentalfilme, witzige Animationen und Dokumentationen mit aufklärerischer Absicht auf 16 mm oder U-matic zu sehen. Seltener wird von VHS und Super 8 Gebrauch gemacht. Ein Feminale- Film muß nicht dezidiert feministisch sein, aber er darf auch keine antifeministische Haltung propagieren und soll über ein Mindestmaß an ästhetischer Qualität verfügen — was immer das heißen mag.

Die Berliner Filmreihe darf als Gegenkultur zur Feminale verstanden werden, schließlich ist jede Filmauswahl gleichzeitig auch immer eine Abwahl von Filmen. In Berlin werden daher traditionell Filme gezeigt, die »auf anderen Festivals durchgefallen sind«, wie Regina Schütze erklärt, »weil sie nicht ins Programmschema passen«. Beispielsweise Susu Grunenbergs 70-Minuten-Videodokumentation von »Wie es ihr gefällt«, dem Frauenmusikfestival, das letzten Winter im SO 36 stattfand. Der Festivalleitung im Rheinland mag es zu berlinspezifisch angemutet haben — es wurde abgelehnt.

Wie die Feminale hat auch die Berliner Reihe den Schwerpunkt »Islam« übernommen. An zwei Abenden richtet sich das filmische Interesse auf Reisen nach und durch Ägypten zwecks Erforschung des Frauenlebens, und es werden Lebensbereiche türkischer Frauen thematisiert. In »Zurück unter den Schleier« von Sema Poyraz, 1991 für den NDR gedreht, kehrt die in Berlin lebende Regisseurin nach vielen Jahren des Exils in ihre Heimatstadt Istanbul zurück, um den Verfall eines modernen, von Atatürk reformierten Staatswesens zu ergründen. Dabei geht sie vorrangig der Frage nach, warum viele Frauen der fundamentalistischen Schleierpropaganda nachgeben. Eine mögliche Antwort, die die Regiesseurin findet: es liegt an der Anpassung der Frauen an die uralte Angst der Männer vor weiblicher Sexualität.

Sema Poyraz benutzt das Machtpotential des Films, wenn sie Bilder iranischer Frauen beim Beten montiert. In dunkle Stoffe und Schleier gehüllt, am Boden hockend, muten sie an wie große schwarze Krähen — ein erschreckendes Bild religiösen Fanatismus.

Andere Filme wiederum können keinem Thema zugeordnet werden. Der Dienstagabend im K.O.B. beispielsweise ist fünf Kurzfilmen von Frauen gewidmet, die mit den Möglichkeiten des Mediums spielen. »A dream of naming« von Penelope Buitenhuis ist die bildliche Interpretation des gleichnamigen Gedichtes von Judy Radal, einer kanadischen Poetin und Performancekünstlerin. Sie sinniert über die Pluralität ihrer Existenz.

Ästhetisch »schön« und ruhig kommt Tina Keanes »Neon Driver« daher, wo ein Schwimmbecken als Metapher für Identität, Vergnügen und Voyeurismus steht. In »Showdown mit GeMi« läßt die Hamburgerin Ulrike Zimmermann GeMi, die Gedachte Mitspielerin, in Actionfilmen des TV-Vorabendprogramms mitmischen, für die das Drehbuch keinen Frauenpart vorgesehen hat. GeMi ist omnipräsent, sowohl visuell als auch akustisch: »Das Ego bebt, die Seele schmerzt, rechts der Colt und links das Herz. Das Grauen kennt jetzt mein Gesicht, ich bin die Frau, von der man spricht.«

In keiner Weise ironisch ist Josy Meyers »Der Kunde ist König«, am kommenden Mittwoch zu sehen. In der Dokumentation über den Zürcher Drogenstrich läßt die Filmemacherin bewußt Männer in aller Ausführlichkeit zu Wort kommen — als Stammtischbrüder, Polizisten der Sitte, Freier oder Anwohner, die die Geschehnisse am Strich beobachten. Die Aussagen sind selbstentlarvend und erläutern, was so reizvoll ist am Sex mit Junkies: das Macht-Ohnmacht-Gefälle, das völlige Ausgeliefertsein der »naiven« Frauen aufgrund ihrer Sucht. Im O-Ton (auf schweizerdeutsch) mit Untertiteln heißt es: »Mit denen kannst du machen, was du sonst mit keiner Flöte (Hure) machen kannst.«

Wenn Feminismus die Theorie ist, dann sind die präsentierten Filme Teil seiner Praxis: der Rehabilitierung eines jahrhundertelangen diskriminierten Frauenbildes mit den Mitteln der Kreativität und der Bildsprache. Andrea Winter

Samstag, 21 Uhr, Araquin, Bülowstraße: Black Forest, Blue Danube, Wie es ihr gefällt

Sonntag, 21 Uhr, Araquin: ... und andere Ergüsse

Dienstag, K.O.B., Potsdamer Straße, 20.30 und 22.30 Uhr: A dream of naming, Mayhem, Neon diver, Showdown mit GeMi, Sally Forth

Mittwoch, K.O.B., 20.30 Uhr, 22.30 Uhr: Gloria, Der Kunde ist König

Donnerstag, K.O.B., 20.30 und 22.30 Uhr: Semiotic Ghosts, Hidden Faces

Vorstellungen außer Mittwoch und Donnerstag nur für Frauen

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