piwik no script img

Dasa-Chef brüskiert die Niederländer

Wie der Einstieg der deutschen Flugzeugindustriellen bei Fokker zum Politikum geriet/ Niederländer über den siegessicheren Verhandlungsstil des Dasa-Vorstands Jürgen Schrempp verärgert  ■ Von Hermann-Josef Tenhagen

Berlin (taz) — Im Zweifel halten sich die Daimler-Manager für die Stärksten. Sie ziehen fast jeden über den Tisch und treten entsprechend breitbeinig auf. Doch manchmal holt der Gegner am anderen Ende des Tisches den Sieg. Wie im Falle Fokker.

Den niederländischen Flugzeugbauer glaubten die Dasa-Leute Anfang Juli schon in der Tasche zu haben. Doch dann übernahm die Regierung in Den Haag als größter Fokker- Eigner den Counterpart der Dasa und begann nachzuverhandeln. Garantien für die Eigenständigkeit von Fokker bei Design, Herstellung und Marketing verlangte Wirtschaftsminister Koos Andriessen und ließ sich vor der als „letzte Verhandlung“ angekündigten Runde gestern demonstrativ vom Parlament den Rücken stärken. Das Fokker-Management drehte gleichzeitig öffentlich an der Daumenschraube. „Es ist sehr gut möglich, daß die Gespräche scheitern“, so ein Fokker-Sprecher gestern zur taz.

Die Gespräche zwischen Fokker (Umsatz: 3,5 Mrd. Mark) und der Daimler-Tochter Dasa (Umsatz: 13 Mrd. Mark) laufen schon seit fast einem halben Jahr. Hintergrund: Fokker will zwei neue Regionalflugzeuge bauen, einen 70-Sitzer und einen 130-Sitzer, und braucht dafür Geld. Die Daimler-Tochter Dasa schien aus zwei Gründen eine geeignete Partnerin: einmal, weil sie schon heute den Rumpf eines der Fokker-Flugzeuge fertigt; und zum zweiten, weil sie mit der französischen Aerospatiale und der italienischen Firma Alenia einen eigenen sogenannten Regio-Liner planten, der Fokker auf dem ureigenen Marktsegment Konkurrenz machen könnte. Dasa soll, so das jetzige Konzept, den Anteil des niederländischen Staates (32 Prozent) übernehmen und eine Kapitalaufstockung vornehmen: Ergebnis sollte eine 51-Prozent-Mehrheit sein.

Lange Zeit schien alles in geordneten Verhandlungsbahnen zu laufen. Doch dann beging Dasa-Chef Jürgen Schrempp den entscheidenden Fehler. Auf einer Pressekonferenz Anfang Juni sagte der Manager allzu früh und überdeutlich, was die Niederländer zu erwarten hätten: „Zuallererst kam die Frage, wie Fokker in ein solches europäisches Flugzeugprojekt (den Regioliner — d.Red.) eingepaßt werden kann. Das führte zu der Frage, ob es nicht sinnvoll sei, daß Dasa die Mehrheit von Fokker und damit die industrielle Führerschaft übernimmt.“

Industrielle Führerschaft bei einer solchen europäischen Lösung bedeute auch „Rationalisierung auf europäischem Niveau“, so Schrempp weiter. Gleichzeitig ließ der forsche Manager ein Memo verteilen, in dem das Marketing und der Verkauf für alle Regional-Flugzeuge nach Frankreich verlegt werden sollte. „Diese Organisation soll für Marketing und Product-support aller Flugzeuge der Partner von 20 bis 130 Sitze verantwortlich sein“, zitierte die Volkskrant aus dem Papier.

Die deutlichen Worten schlugen in der niederländischen Debatte ein wie eine Bombe. Die Gewerkschaften sahen die 12.500 Arbeitsplätze bei Fokker in Gefahr. Hatte der Fokker-Vorstand mit dem Vorsitzenden Erik-Jan Nederkoorn an der Spitze sich im Frühjahr als der aktive Partner bei dem Deal darstellen können, bekamen in den Niederlanden jetzt die Skeptiker die Oberhand.

An die Spitze der Skeptiker setzte sich zunächst Fokker-Aufsichtsrat Frans Swarttouw. Der 59jährige, in den Niederlanden liebevoll Mister Fokker genannt, war elf Jahre lang Vorstandsvorsitzender des Konzerns und soll das Unternehmen damals vor der Pleite bewahrt haben. Swarttouw schrieb einen bitterbösen Brief an seine Aufsichtsratskollegen, in dem er dem Vorstand eine „nachlässige Verhandlungsführung“ vorwarf und von dem geplanten Geschäft in der Form abriet. Der Brief gelangte an die Öffentlichkeit und heizte die Stimmung weiter an.

Swarttouw schürte geschickt Erinnerungen: Pleitezugehen drohte Fokker nämlich nur ein einziges Mal. Der 73 Jahre alte Flugzeugkonzern war Ende der sechziger Jahre einen unglückseligen Deal mit den Vereinigten Flugzeugwerken (VFW) in Bremerhaven eingegangen. Gemeinsam hatte man ein Regionalflugzeug für viel Geld konzipiert, doch der erste Prototyp des VFW614 stürzte ab, und der Vogel blieb ökonomisch wie eine Bleiente am Boden haften.

Swarttouw in einem Interview der Volkskrant über seine Erfahrungen mit den Deutschen: „Die wollten ihr technisches Können zeigen. Das Ergebnis ist so ein übertechnisierter Flieger wie die VFW614.“ Der niederländische Manager vergaß nicht zu erwähnen, daß VFW in der Dasa aufgegangen ist. Damals hätten die Deutschen nur kooperiert, so Swarttouw, jetzt wollten sie „ein komplettes Flugzeug. Davon sind sie schon seit Jahren besessen. Seit den dreißiger Jahren sind sie aus dem zivilen Flugzeugmarkt vertrieben.“

Der Vertragsentwurf, der schließlich Anfang Juli an die Öffentlichkeit drang, spiegelte die Besorgnisse der Niederländer in keiner Form wider. Selbst die laufende Produktion könnte ins Ausland verlegt werden, wenn es billiger sei, hieß es darin. Das war zuviel. Die niederländische Regierung eilte selbst an den Verhandlungstisch. Um keinen Zweifel aufkommen zu lassen, gab Ministerpräsident Ruud Lubbers höchstselbst im Fernsehen die Linie vor: Wenn Entwicklung, Produktion und Marketing in den Niederlanden nicht gesichert seien, werde aus dem Deal nichts. Konkret müsse Fokker die Führung im Regionalflugzeugkonsortium weiter behalten. Der niederländische Staat verlangte ein Vetorecht gegen Entscheidungen des neuen Fokker-Aufsichtsrats und außerdem vorläufig zwei Sitze in diesem Aufsichtsrat. Ein schwerer Brocken: Denn in der entscheidenden Frage hatten sich die Dasa-Manager festgelegt, an der Substanz des Vertrages keine Änderungen mehr vornehmen zu lassen.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen