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Fisch frisch auf den Tisch

■ Berliner Fisch darf wieder gegessen werden/ Gewässer von krebserzeugenden PCB gereinigt

Für Berlins 13 Fischereibetriebe hat die Arbeit wieder einen Sinn. Bis auf die Aale aus der Unterhavel und dem Teltowkanal dürfen sie die Fische und Krebse, die sich in ihren Reusen verfangen, seit Mai dieses Jahres zum großen Teil wieder verkaufen. Bisher mußten sie ihren Fang als Sonderabfall bei der Krankenhausentsorgungsgesellschaft abliefern — die jährlich 225 Tonnen Aale, Plötze, Bleie, Zander, Hechte und Barsche landeten auf der Müllkippe. Sie waren vor allem mit polychlorierten Biphenylen (PCB) so stark belastet, daß die Gesundheitsverwaltung sie niemandem zum Verzehr zumuten wollte.

Die Berliner Gewässer waren 1983 erstmals auf die international als krebserzeugend eingestuften PCB, die vor allem aus Transformatoren- und Altölen stammen, untersucht worden. Erst 1988, als die »Schadstoff-Höchstmengenverordnung« in Kraft trat, sprach die Gesundheitsverwaltung für den Fisch aus nahezu allen Westberliner Gewässern — einer Fläche von 2.700 Hektar — Verkaufsverbot aus. Das Landesuntersuchungsinstitut für Lebensmittel, Arzneimittel und Tierseuchen (LAT) hatte festgestellt, daß die zulässigen Höchstmengen von PCB im Fischbestand, insbesondere beim Aal, überschritten wurde.

Die Berufsfischer, die plötzlich in ihrer Existenz bedroht waren, wurden sofort mit Sanierungsaufgaben betraut. Die Umweltverwaltung zahlte den Süßwasserkapitänen jährlich eine Million Mark, damit sie den geschuppten Sondermüll aus Havel und Spree herausholten. Jährlich 600.000 Mark kostete die »Entsorgung« der vergifteten Flossentiere. Gleichzeitig wurden, um einer weiteren Verschmutzung der Gewässer mit den international als hoch toxisch eingestuften PCB zu verhindern — mindestens aber zu vermindern - Betriebe verschärft überprüft und kontrolliert, sofern sie mit PCB arbeiteten. Im Jahr 1989 trat dann die »Indirekteinleiter-Verordnung« in Kraft. Seitdem wird auch jenen schärfer in die Abflüsse geguckt, die ihre Abwässer zwar nicht direkt in die Havel oder den Müggelsee kippen, wohl aber in das Waschbecken. Denn was beispielsweise Tankstellen und Galvanikbetriebe in die Kanalisation fließen lassen, wird nicht unbedingt von den Kläranlagen gefiltert. Und so gelangen etwa Staubreste von Amalgamplomben aus Zahnarztpraxen in Flüsse und Seen. Der Staub der quecksilberhaltigen Zahnfüllungen, der beim Bohren in der Arztpraxis abgesaugt wird, belastet nachweisbar — wenn auch nicht gesundheitsschädlich — die Oberflächengewässer, sagt Klaus-Jürgen Delhaes, der bei der Umweltverwaltung für Gewässerschutz zuständig ist.

Umweltstaatssekretär Lutz Wicke (CDU) feierte bei einem Fischessen mit Berlins Berufsfischern am Donnerstag die Aufhebung des Verkaufsverbotes als einen »großen Erfolg«. Das Lob an die Adresse seiner Umweltverwaltung scheint nicht übertrieben zu sein. Abteilungsleiter Delhaes berichtete, daß Berlin das einzige Bundesland sei, das seit 1983 PCB gemessen und konsequent die Einleitung vermindert hat. Dennoch ist auch heute die Unterwasserwelt nicht völlig in Ordnung. Das chlorierte Gift der Wegwerfgesellschaft lauert weiter — in den Sedimenten. Es dauere Jahrzehnte, bis sich das Gift dort unten zersetzt habe, sagte Delhaes. Entschlammungsprogramme gibt es bis auf Ausnahmen wie für den Müggelsee aber nicht. »Wir wissen doch nicht, was wir mit dem Schlamm, der in ungeheuren Mengen anfallen würde, machen sollen«, erklärte der Gewässerschützer die Lage. Das sei auch der Grund, warum der Teltowkanal noch immer nicht ausgebaggert werde. Aus demselben Grund hat die zuständige Wasserschiffahrtsdirektion Ost auch die alten Grenzanlagen im Kanal stehenlassen. Vor den Anlagen hat sich unter Wasser ein regelrechter Giftcocktail aus PCB, Pflanzenschutzmitteln und Schwermetallen angesammelt. Würden die DDR-Reliquien entfernt, würden die Gifte freigesetzt, erläuterte Delhaes. Solange der Grund unter Berlins Gewässern nicht aufgewühlt werde, gehe von den Altlasten keine besondere Gefahr aus.

Auch wenn erfreulicherweise das Verkaufsverbot fast ausnahmslos für Berliner Fisch aufgehoben werden konnte, wird weiter »saniert«. Die Umweltverwaltung fördert das Befischen im kommenden Jahr mit 1,35 Millionen Mark — nur 250.000 Mark weniger als bisher. Obwohl Berlins Fisch wieder gegessen werden darf, sei weiterhin die große Summe nötig, weil die Gewässer im Ostteil der Stadt dazugekommen seien, begründete Wicke die Subventionen. Bei der »Hegefischerei« geht es nicht nur darum, die belasteten Schuppentiere aus dem Teltowkanal und der Unterhavel herauszuholen, sondern bestimmte Arten des Bestandes zu reduzieren und andere zu fördern. So soll etwa die Zahl der Weißfische gering gehalten werden, weil mit ihnen kein Geld zu machen sei und sie »wertvolleren« Fischen das Futter wegschnappen.

Angesichts des sauberen Wassers und der drückenden Sommerhitze möchte man dem Vorschlag einer deutschen Rocksängerin folgen und »ein Fisch im Wasser sein« — nur kein Weißfisch. Dirk Wildt

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