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Trance, Tanz und Funken beim Kampf

■ Schüler und Lehrer des brasilianischen Kampftanzes Capoeira zeigten anläßlich ihres Sommertreffens eine Performance

zeigten anläßlich ihres Sommertreffens eine Performance

Drei Herren in Anzug und Weste, den Hut verwegen auf dem Kopf, entlocken bogenförmigen Perkussionsinstrumenten vibrierende, anschwellende Tonfolgen. Halbnackte Männer an hohen Trommeln peitschen harte Rhythmen bis die Zuschauer sich im Takt mitbewegen. Der Vorsänger intoniert ein Lied, und der Chor der Kämpfer antwortet.

Gleichzeitig entwickeln die Tänzer beim Abschlußabend des alljährlichen Capoeira-Treffens in der Fabrik aus schwingenden Bewegungen, deren Tempo die Musik bestimmt, rasante Kampfeinlagen. Ineinander verzahnt folgt Tritt auf Tritt, Abwehr auf Angriff, während die Kämpfer sich immer enger umkreisen. Mit spielerischen Gebärden, den Körper in der Hocke, greifen sie sich an. Es sieht ungefährlich aus, bis plötzlich ein Rasiermesser, gehalten zwischen den Zehen, auf den Gegner niederzuckt. Andere Tänzer springen zum pulsierenden Takt der Trommeln in einen Halbkreis, schwingen taktgenau Macheten gegeneinander, daß die Funken sprühen.

All das gehört zu Capoeira: Trance, Dialog, Kampf, Täuschung und Tanz. Entwickelt von afrikanischen Sklaven in Brasilien, getarnt als Spiel und Tanz, effektiv und gefährlich, ist Capoeira mehr als eine Kampfkunst. Die verschiedenen Elemente sind Ausdruck eines Lebensstils, kommunikatives Erlebnis und Überlebenskunst im düsteren Alltag der brasilianischen Favelas. Erst 1932 mit Gründung der ersten Capoeira-Schule legalisiert, gibt es inzwischen hunderte von Schulen in Rio und Salvador, aber auch in den USA und Europa.

Der Capoeira-Meister Paulo Siqueira, der seit 8 Jahren in Ham- burg diese Kampfkunst lehrt, hat diesmal das Sommertreffen organisiert, bei dem sich Capoeiristas, Schüler wie Lehrer, aus aller Welt treffen, um sich eine Woche lang auszutauschen. Beim Abschlußabend in der Fabrik stand der kämpferische Aspekt des Capoeira eindeutig im Vordergrund: viel- leicht Ausdruck der verschärften wirtschaftlichen Verhältnisse in Brasilien. Der immer härtere Kampf um das Überleben braucht nicht schön auszusehen, solange die Schläge den Gegner treffen und ihn außer Gefecht setzen.

Die meist eher dunkle Hautfarbe der Capoeiristas aus Salvador de Bahia und Rio de Janeiro zeigte, wer sich wehren muß. Eine Performance ist zwar nur ein Schauspiel, aber die Spannung zwischen den Kämpfern war deutlich zu spüren. Es wurde häufiger nicht miteinander gespielt, sondern gegeneinander. Auf der Strecke blieb dabei weitgehend die spielerische Eleganz früherer Capoeira-Darbietungen. Matthias T.J. Grimme

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