: Das Wochenende der Besetzungen
■ Pinnasberg: Ein Schildbürgerstreich des Senats, der sich aufführe wie ein Baulöwe/Häuser gehören unter Denkmalschutz
: Ein Schildbürgerstreich des Senates, der sich aufführe
wie ein Baulöwe / Häuser gehören unter Denkmalschutz
Es war fünf vor zwölf als am gestrigen Sonntag die ersten St.Paulianer das dem Abriß geweihte Haus Pinnasberg 74 betraten, es in „öffentlichen Besitz“ nahmen. Die letzte Runde im Kampf um den Erhalt der leerstehenden Häuserzeile hat begonnen.
Nach jahrelangen Kontroversen, in deren Verlauf Sanierungsgutachten erstellt, Besetzungen begonnen und beendet, staatliche Planungsaufträge für eine Renovierung erteilt und wieder zurückgenommen wurden, weisen die Zeichen jetzt in Richtung baldiger Abriß. Am Donnerstag hatte die Kommission für Bodenordnung den Abbruch der Altbauten beschlossen.
Der Hafenrand-Verein, der zu dem sonntäglichen Meeting am Pinnasberg eingeladen hatte, nutzte diese Gelegenheit, sein Alternativ- Konzept vorzustellen. Die vergleichsweise gut erhaltenen Bauten Pinnasberg 74 und 75 seien bezugsfertig, bräuchten nicht kostspielig instandgesetzt, sondern nur renoviert werden. Hier und in den anderen Häusern sollen ein Kinderhaus, Kindertagesgruppen, Wohnungen, ein ambulanter Dienst für alte Menschen und ein Stadtteil- Café untergebracht werden.
Dafür, daß diese Pläne nicht der Abrißbirne zum Opfer fallen, soll nicht nur die seit gestern bestehende Präsenz der „öffentlichen Besitzer“ in den Häusern sorgen. „Hafenrand e.V.“-Anwalt Jens Waßmann kündigte an, daß der Verein sich umgehend an die Kultursenatorin Christina Weiss wenden wird, die heute aus dem Urlaub zurückkehrt. Sie soll die Häuser, die bereits von den Behörden als „denkmalschutzwürdig“ eingestuft wurden, nun umgehend unter diesen Schutz stellen.
Schon einmal konnte ein Hamburger Kulturchef so einen bereits begonnenen Abriß auf Eis legen. Ingo von Münch stellte in der vergangenen Legislaturperiode eine Terassenzeile in der Wohlwillstraße unter Denkmalschutz, nachdem die ersten Abrißarbeiten schon begonnen hatten. Die Abbruchtrupps mußten nach dem Alleingang des Liberalen unverrichteter Dinge wieder abziehen.
Dafür, daß das kein Einzelfall bleibt, sprachen sich am Sonntag auch zwei der bekanntesten Hamburger Sanierungsträger aus. Für die „Stattbau Hamburg“ ist der geplante Abriß der Altbauten ein „Schildbürgerstreich des Senats“. Die Gesellschaft, einst selbst von der Baubehörde beauftragt, für zwei der nun zum Abriß freigegebenen Häuser ein Sanierungskonzept zu entwickeln, klagt: „Der Leerstand und die ständige polizeiliche Überwachung der Häuser haben die Millionen verschlungen, die jetzt angeblich zur Sanierung fehlen“.
Doch auch heute würden „die Kosten für den Erhalt“ nicht über denen einer Neubebauung liegen“. Karin Schmalriede, Geschäftsführerin der Lawaetz-Stiftung kommentierte: „Die Stadt stellt sich ein Armutszeugnis aus, wenn sie sich gegenüber den sozial engagierten Trägern, die sich für sinnvolle Nutzungen um die Instandsetzung bewerben, nicht anders verhält als jeder beliebige Baulöwe.“
Marco Carini
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