»Kein Sinneswandel«

■ Sozialstaatssekretär Armin Tschoepe (SPD) zur Aufnahme der Kriegsflüchtlinge/ Heimunterbringung trotz privater Hilfsangebote

taz: Am Donnerstag hat Diepgen in einem Gespräch mit der taz und den Grünen die Aktion Fluchtweg begrüßt. Jetzt sollen die Flüchtlinge in Heime. Woher der Sinneswandel?

Armin Tschoepe: Es gibt keinen Sinneswandel. Diepgen hat das Engagement der Berliner begrüßt. Diese Freude teile ich, zumal es ein Signal gegen die Ausländerfeindlichkeit darstellt. Es gibt Übereinstimmung mit der Aktion Fluchtweg, daß die Flüchtlinge erstmal Ruhe brauchen. Diese können wir ihnen in unseren Einrichtungen anbieten.

Heißt das, überhaupt keine Unterbringung in Privatquartieren, oder nur in den ersten Tagen nicht?

Wir haben hier über 2.000 Flüchtlinge aus den Krisengebieten Jugoslawiens. All denjenigen, die sich jetzt spontan bei uns melden, teilen wir mit, wo sich in ihrer Nähe Flüchtlinge befinden. Die spontane Hilfsbereitschaft kann sich nicht ausschließlich auf die 110 Menschen ausrichten, die jetzt ankommen.

Die Aktion Fluchtweg will aber erreichen, daß nicht nur 110 Flüchtlinge nach Berlin geholt werden. Schließlich gibt es hier Tausende von Quartieren, sowohl privat als auch in Heimen.

Die Angebote sind nicht als gleichwertig anzusehen. Wer Menschen aufnimmt, ist herzlich willkommen. Den Kontakt muß derjenige aber direkt zum Gast herstellen. Bei einer ganze Reihe von Menschen, die hier mit einem Touristenvisum zu Angehörigen herkamen, stellte sich heraus, daß sie dort nicht auf Dauer bleiben konnten.

Der Senat wird demnach nur 110 Flüchtlinge herholen. Die vielen Angebote der Berliner werden ihn nicht zu einer erweiterten Aufnahme bewegen?

Das ist eine Unterstellung. Die Bundesregierung hat beschlossen, 5.000 Menschen aufzunehmen. Im Senat gibt es durchaus die Meinung, daß angesichts des Flüchtlingselends mehr Menschen in der Bundesrepublik und im europäischen Bereich aufgenommen werden müßten. Aber das ist eine Bonner Entscheidung.

Berlin könnte sich zusammen mit anderen Bundesländern für eine Quotenerweiterung einsetzen.

Dies passiert bereits. Aber an dem Verteilschlüssel zwischen den Ländern werden wir von uns aus nichts ändern, weil wir bereits mehr Menschen aufgenommen haben, als die Quote vorschreibt. Das bedeutet dauerhafte Betreuung und damit auch finanzielle Inanspruchnahme des Landes Berlin. Hier befinden sich schon 5.000 Flüchtlinge, 2.000 davon in landesfinanzierten Einrichtungen.

Würde Berlin die nächsten Flüchtlinge bei einer Quotenerweiterung auch in Heime stecken?

Ja, weil der Staat dazu verpflichtet ist. Bei der privaten Unterbringung handelt es sich um eine spontane Hilfsbereitschaft, für die wir keine Garantie übernehmen können.

Deshalb hat die Aktion Fluchtweg ja auch angeregt, die Sozialverwaltung solle kontrollieren, ob die Privatquartiere seriös sind.

Dies ist weder personell noch organisatorisch realisierbar.

Werden die Flüchtlinge zu mehreren in einem Raum wohnen?

Ja. Es handelt sich um die gleiche Unterbringung, wie wir sie in der Stadt bei 15.000 Plätzen in Übergangseinrichtungen haben.

Ruhe und Massenquartiere sind aber unvereinbar.

Unsere Unterbringungen sind keine Massenquartiere. Wenn ich manche Leute höre, »wir nehmen am Bahnhof gleich unser jugoslawisches Kind mit«, dann ist dies wohl kaum mit Kinderschutz und Fürsorgepflicht des Staates vereinbar. Die Menschen müssen erstmal untergebracht und medizinisch versorgt werden. Danach können die Berliner zu den Flüchtlingen Kontakte herstellen.

Hat der Senat Angst, die Kontrolle über die Flüchtlinge zu verlieren, und daß sie sich hier zu sehr assimilieren?

Wie kommen Sie zu so einem Verdacht? Diese Menschen haben durch die Bundesregierung eine befristete Aufenhaltserlaubnis von längstens sechs Monaten. Sie werden hier aufgenommen wie alle anderen Flüchtlinge auch. Hier geht es nicht um Kontrolle. Bei aller Hilfsbereitschaft müssen wir weitere Vorsorge treffen für die Aufnahme von Aussiedlern, Asylbewerbern und Flüchtlingen. Das müßte doch den Lesern der taz einleuchten. Interview: Plutonia Plarre