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Body statt Kultur

200 Entlassungen bei Tele5 befürchtet  ■ Aus München C. Emundts

„Wo das hinführt, ist doch klar“, mutmaßt ein Branchenkenner, „der Sender wird vollkommen entpolitisiert.“ Das neue Programmschema bedeute „journalistisch anspruchslose Sendungen, zumindest was die politische Berichterstattung betrifft“.

Nachdem sich vor etwa vier Wochen die Gesellschafterrunde des Kommerzsenders Tele5 neu formiert hatte, gab der neue Geschäftsführer Donald McLoughlin in der vergangenen Woche das neue Programmkonzept bekannt. Zu einem „Vollprogramm mit Schwerpunkt Sport und Freizeit“ soll der Sender umgebastelt werden. Und weil McLoughlin „ein solches Unternehmen nicht unter so schlechten Bedingungen erhalten will“, bedeutet die Programmänderung für mindestens die Hälfte der rund 230 festangestellten Mitarbeiter die Kündigung. Die IG Medien befürchtet sogar 200 Entlassungen. Einer ersten Programmänderung ab September stimmte der CSU-nahe Medienrat der Bayerischen Landeszentrale für neue Medien (BLM) am vergangenen Donnerstag bereits zu. Über das geplante Sportprogramm ab 1993 will er erst im Herbst diesen Jahres abstimmen.

Von einem „personellen Kahlschlag“ spricht die IG Medien, „der Vormarsch des Kirch-Imperiums fordert seine Opfer“. Denn seit einem Monat besitzt Medienkönig Leo Kirch 24,5 Prozent an dem Sender. Indirekt mischt der Springer-Großaktionär durch den Anteil des Springer-Verlags von 24,9 Prozent und durch die Beteiligung seines italienischen Freundes an Tele5 mit. Und der neue Geschäftsführer McLoughlin kommt von Kirchs Kabelkanal.

„Synergieeffekte“ ist derzeit das Zauberwort für McLoughlin: Tele5 soll in das kürzlich gegründete „Medienzentrum München“ (MZM) in Unterföhring umziehen, Tür an Tür mit dem Sender von Kirch's Sohn, Pro7 und dem Kabelkanal. MZM wird dann die technische Produktion für alle drei Sender übernehmen, wovon sich McLoughlin Kosten- und Personaleinsparung verspricht. Seit zwei Wochen betreibt die Pro7-Marketinggesellschaft MGM die Werbegeschäfte von Tele5. „Der Zugriff des Medienmoguls Kirch war offenbar von langer Hand geplant“, mutmaßt die IG Medien. Donald McLoughlin präsentierte sein neues Programm geschickt als Vollprogramm mit den vom Medienstaatsvertrag geforderten Inhalten Information, Bildung, Beratung und Unterhaltung. Dem Medienrat und der Presse legte er ein reichlich diffuses Programmschema vor. Mit „Körperkultur und Bodybuilding“ will er dem Kultur- und Bildungsauftrag nachkommen. Sein Konzept legitimierte McLoughlin gar durch wissenschaftliche Erkenntnisse: Der Hamburger Freizeitforscher Opaschweski habe herausgefunden, „daß der gesellschaftliche Wandel hin zu mehr Freizeit neue Programmbedürfnisse mit sich bringt“. IG-Medien-Mitarbeiter Georg Völker hält das Programm für ein „verkapptes Spartenprogramm“. Daß McLoughlin mit einem Alibi-Vollprogramm starten will, um die Medienrats-Zustimmung zu bekommen, es dann aber sukzessive verwässern werde, vermuten Tele5-Mitarbeiter.

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