piwik no script img

■ FehlstartHungern für den Präsidenten

Um halb zehn Uhr abends standen Gäste und Besatzung des Daimler-Benz-Clubs nahe dem Olympia-Stadion kollektiv stramm. Es nahte der Höhepunkt des Abends: Richard von Weizsäcker, weißhäuptiger Staatspräsident, hatte sich zum Diner angesagt. Sehnlichst erwartet von zahlreichen Promis, denn wenn Richie kommt, da war man sich einig, werden sich Mercedes und das Land Baden-Württemberg kulinarisch nicht lumpen lassen. Speis und Trank vom Feinsten waren angesagt.

Viele Sportler hatten vorsorglich aufs Abendessen verzichtet, in Erwartung des großen Fressens. Statt dessen begann das große Warten. Weizsäcker mußte erst in den Konkurrenzklub, wo er offenbar schon abgefüttert wurde. Denn als er um 22.30 Uhr endlich erschien, machte er einen verdächtig satten Eindruck.

Hungern für den Präsidenten

Was Benz-Verlautbarer Matthias Kleinert sofort bemerkte und deshalb, statt das Buffet freizugeben, stur beim Protokoll blieb: Grußworte, Reden, dann mußten die sympathischen Goldjungs vom Radvierer auflaufen und sympathische Sätze sprechen.

Weizsäcker schien sich bestens zu amüsieren, mit all den knurrenden Mägen um sich. Verzweifelt versuchte eine Flotte Kellner, die Bäuche der Gäste mit vornehm-winzigen Pastetenhäppchen zu beruhigen — vergebens. Bei Berufspromi Carlo Thränhardt wich der Biafrablick nicht, obgleich er gleich pallettenweise Häppchen in sich reinschob. Eberhard Diepgen, nachts zuvor recht angeheitert aus dem Club gefallen, tröstete sich erneut mit dem reichlich vorhandenen Schampus, und bald schon lachte er wieder zu laut und imageabträglich.

Bei Fechtpapst Emil Beck indes machte sich Entkräftung breit, was bewirkte, daß er diesmal keinen Streit suchte. Am Abend zuvor wollte er einen unliebsamen Journalisten, der sich ihm als Hofberichterstatter verweigert, zum Duell fordern. „Eine Ratte sind Sie, eine Ratte, Ratte, Ratte“, krakeelte der Dicke durch den mittelständischen Club. Erst Weizsäckers Hungerkur schien den Choleriker ruhigzustellen.

Der einzige, der einen belustigten Eindruck machte, war Berlins Olympia-GmbH-Chef Axel Nawrocki. Verschmitzt grinste er wie sein gelber Bär, als sich um 23.30 Uhr die ersten davonstahlen, zur Imbißbude nebenan. Wahrscheinlich freute er sich, daß Pannen auch anderswo passieren. miß

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen