: Die „Casa da Dinda“ und die Florida-Connection
Gigantische Korruptionsaffären um den mächtigen Unternehmer Paulo Cesar bringen Brasiliens Präsident Collor ins Schleudern ■ Aus Rio Astrid Prange
Die Tage von Fernando Collor de Mello, Präsident von Brasilien, sind gezählt. Das Staatsoberhaupt der achtgrößten Wirtschaftsnation der Welt wird pikanterweise von seiner eigenen Familie — genauer gesagt: von seiner Frau Rosane — in den Ruin getrieben. Weil das mickrige Monatssalär ihres Gatten in Höhe von rund 5.000 Mark nicht ausreicht, um ihren aufwendigen Lebensstil zu finanzieren, ließ sich die First Lady Brasiliens nach Berichten der brasilianischen Presse von dem Unternehmer Paulo Cesar Farias mit 20.000 Dollar im Monat aushalten.
Die intimen Verbindungen zwischen dem Unternehmer und ehemaligen Kassenwart der Wahlkampfkampagne von Präsident Collor, Paulo Cesar Farias — genannt „PC“ — und der Regierung werden zur Zeit von einem parlamentarischen Untersuchungsausschuß offengelegt. Seine Recherchen haben ergeben: Die Schecks von Paulo Cesar Farias trafen wöchentlich auf dem Konto von Collors Privatsekretärin Ana Acioli ein. „PC“ kam auch für die Ausgaben von Collors Residenz, genannt „Casa da Dinda“, die Bedürfnisse der Mutter des Präsidenten sowie seiner ersten Frau, Lilibeth Carvalho, auf. Nur den Scheck an Gemahlin Rosane unterzeichnete „PC“ persönlich, um sich gleich danach seiner engen Beziehungen zur „Casa da Dinda“ zu rühmen: „Madame gibt zuviel Geld aus.“
Der verschwenderische Lebensstil der Familie Collor war der brasilianischen Öffentlichkeit schon lange negativ aufgestoßen. Während Präsident Collor im Namen der Inflationsbekämpfung Sparsamkeit predigte und dem Land eine brutale Rezession verordnete, gab sich seine Gattin mit vollem Vergnügen ihrer Konsumsucht hin. Bevor sie zusammen mit ihrem Ehemann im vergangenen Dezember in Rom die Segnung von Papst Johannes Paul II. empfing, kleidete sie sich für 34.000 US-Dollar neu ein.
Ausgelöst wurde die bisher schwerste Krise Collors von seinem Bruder Pedro. Das Nesthäkchen der Familie war zutiefst darüber entrüstet, daß ausgerechnet „PC“ dem Medienimperium der Präsidentenfamilie im nordöstlichen Bundesstaat Alagoas Konkurrenz machen wollte: Er hatte es gewagt, in Maceio, Hauptstadt des Bundesstaates Alagoas und Revier der Familie Collor, eine Zeitung gründen zu wollen. Pedro Collor strafte den unerhörten Vorstoß von „PC“ mit der Enthüllung, daß der Unternehmer im Namen und mit Zustimmung des Präsidenten millionenschwere Geschäfte zu Lasten des brasilianischen Steuerzahlers mache.
Durch die üppigen Zuwendungen an die Präsidentenfamilie habe sich „PC“ Vorteile bei der Vergabe von öffentlichen Geldern und Aufträgen erkauft und sich in enormen Einfluß in Regierungskreisen verschafft. Keiner der an öffentlichen Aufträgen interessierten Unternehmer käme am „Schema PC“ vorbei.
Nach Angaben des Untersuchungsausschusses leitet das „Schema PC“ ein Drittel des brasilianischen Haushalts für seine Interessen um. Die Zuwendungen an die Familie des Präsidenten erscheinen angesichts dessen geradezu lächerlich. Einzelne Mitglieder der Untersuchungskommission bezweifeln jedoch, daß die beträchtlichen Geldsummen lediglich aus dem brasilianischen Staatssäckel stammen. Mit Unterstützung von Interpol und FBI hat die brasilianische Polizei eine Untersuchung der acht Firmen von „PC“ angewiesen, die ihren Sitz im US-Bundesstaat Florida haben. Polizeichef Romeu Tuma vermutet, daß dort illegal verdiente Dollars gewaschen werden.
Während sich angesichts der zunehmenden Beweise auch zurückhaltende Kongreßabgeordnete für ein Mißtrauensvotum stark machten, wohnte Collor nebst seiner elegant gekleideten Gattin im fernen Barcelona der Eröffnung der Olympischen Spiele bei. Als er Sonntag morgens beim Frühstück aus der spanischen Zeitung El Pais von dem Korruptionsskandal in seinem Land, den er täglich leugnet, erfuhr, gab ihm sein in solchen Dingen erfahrener Amtskollege Carlos Menem, Staatsoberhaupt Argentiniens, einen Rat: Geduld haben, bis sich die Wogen wieder glätten.
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