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Desolate Winkel und Ecken

■ Hans-Jörg Franks Fotografien aus Halle in der Landesbilstelle

Fotografien aus Halle in der Landesbildstelle

An einer der schrecklichsten Autoschluchten unserer Stadt, der Kieler Straße, sind derzeit in der Staatlichen Landesbildstelle Fotografien eines nicht minder - wenn auch auf andere Art - gräßlichen Parcours zu betrachten. Augenblicke entlang der Geiststraße in Halle, die der gebürtige Hallenser und eigentliche Matrose und Krankenpfleger Hans-Jörg Frank vor der Wiedervereinigung bannte.

Sehr zum Mißfallen der damaligen Regierung, die dem Fotografen, der seine Kenntnisse über ein Fernstudium erlangte, ein rigoroses Berufsverbot erteilte. Eine Maßregelung, die wohl jedem Stadtvater in den Sinn gekommen wäre, wenn er derartig desolate Ecken und Winkel seines Verwaltungsbereiches präsentiert bekommen hätte. Wie eine schlechte Filmkulisse wirken die schwarz-weißen Bilder, die in schonungsloser Direktheit gespenstisch verfallene und oft verlassene Bauwerke zeigen.

Grau in Grau reihen sich Geschäfte aneinander, deren Öffnungszeiten scheinbar schon Jahrzehnte zurückliegen, mit Schaufenstern, die wie halb abgeräumte Flohmarktstände wirken. Fassaden bröckeln oder sind als solche kaum noch zu erkennen, gegenüberlie-

1gende Häuser scheinen in expressionistischer Manier nur noch durch von Wand zu Wand gespannten Straßenlaternen vor dem Zusammenfallen bewahrt zu werden.

Hans-Jörg Franke gelingt mit seinen Aufnahmen eine eindrucksvolle Dokumentation der Zeit vor dem Abriß der Gebäude der Geiststraße, die ihrem Namen alle Ehre machte. Er läßt aber auch Momente nicht unbeachtet, in denen die Anwohner mit ihrem Treiben für ungewollte Komik sorgten: Wie Hühner wühlt eine Menschen-

1menge in einem Baucontainer nach noch brauchbaren Materialien. Das behende Treiben spielt sich vor einem Geflügelgeschäft ab.

Ebenfalls ausgestellt sind etliche Porträts alter und psychisch kranker Menschen. Frank machte mit ihnen und Darstellungen der katastrophalen Sanitären Bedingungen in Heimen die dortigen Zustände das erste Mal öffentlich und erzwang damit eine Diskussion. Gregor Gerlach

Landesbildstelle, Kieler Straße 171, noch bis Ende August

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