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Rotes Kreuz richtet Bürgertelefon ein

■ zur Vermittlung von Kontakten zu Flüchtlingen/ Senatskanzlei koordiniert Hilfe für Sarajevo-Kinder/ Unklar, ob mehr Flüchtlinge nach Berlin dürfen

Berlin. In Reaktion auf die Hilfsbereitschaft der BerlinerInnen gegenüber den bosnischen Flüchtlingen wird ab morgen beim Deutschen Roten Kreuz ein »Bürgertelefon« eingerichtet. Darauf verständigte sich gestern die Senatsverwaltung für Soziales mit den drei Wohlfahrtsverbänden Rotes Kreuz, Arbeiterwohlfahrt und Caritas. An diesem Telefon, dessen Nummer dank der Telecom noch nicht feststeht, können Kontakte zwischen aufnahmewilligen BürgerInnen und den in Heimen lebenden Flüchtlingen vermittelt werden. Auch andere Hilfsangebote wie zum Beispiel Spielzeugspenden oder Patenschaften werden dort koordiniert. Außerdem sollen die potentiellen Gastgeber beraten werden. Die Heimleitungen, so Sozialstaatssekretär Armin Tschoepe, seien auf all das vorbereitet, außerdem würden die Flüchtlinge selbst per Aushang informiert.

Gestern allerdings schien es damit noch nicht weit her gewesen zu sein. Die Sozialbehörde hatte Aufnahmewilligen, die sich bei der »Aktion Fluchtweg« gemeldet hatten, Adressen von Heimen geschickt. »Wir können uns gut vorstellen, daß sich Ihr Hilfsangebot auch auf die bereits hier seit kurzem in Wohnheimen lebenden jugoslawischen Kriegsflüchtlinge bezieht«, heißt es in diesem Brief. Mehrere AnruferInnen beschwerten sich daraufhin bei der »Aktion Fluchtweg«, daß ihnen erstens keine Neuankömmlinge vermittelt worden seien und zweitens die Heimleitungen völlig uninformiert gewesen seien.

Immerhin aber ist nun geregelt, daß die Flüchtlinge auch bei privater Aufnahme bei den zuständigen Sozialämtern einen Monatssatz von rund 450 Mark Sozialhilfe erhalten. Über diese Stellen soll auch die Frage der Krankenversicherung geregelt werden, so daß die Gastgeber nicht für mögliche Behandlungskosten aufkommen müssen. Das betrifft auch die 146 Bosniaken, die Montag abend per Zug eintrafen und von Helfern zunächst in das Übergangsheim in Weißensee gebracht wurden. Bei ihrer Ankunft berichteten sie, wie ihre Nachbarn getötet wurden, wie Kindern die Beine von Granaten weggerissen wurden, wie sie selbst monatelang durch die Wälder nach Kroatien flüchteten. Bereits gestern morgen standen BerlinerInnen bereit und reichten Kinderspielzeug und Kleidung über den Heimzaun.

Vorläufig aber sollen nicht mehr Flüchtlinge kommen. Die Bemerkung eines Bonner Regierungssprechers, die Bundesregierung werde die Länder nicht an der Aufnahme weiterer Flüchtlinge hindern, nannte der Sozialstaatssekretär einen »wohlfeilen Ratschlag«. Berlin werde nicht mehr Flüchtlinge beherbergen, solange Bonn nicht das Kontingent erhöhe und die anteiligen Kosten übernehme. Aus der Senatskanzlei verlautete jedoch wenig später, Berlin unterstütze die saarländische Initiative zur Aufnahme weiterer 5.000 Menschen. Die Kanzlei koordiniert derzeit die Vorbereitungen für die hiesige Behandlung von rund hundert verletzten Kindern aus Sarajevo. Einen entsprechenden Vorschlag hatte Eberhard Diepgen dem Bürgermeister der eingeschlossenen Stadt am Rande der Olympiade gemacht. Bislang allerdings weigert sich die UNO, die Kinder zum Flughafen zu fahren. Auch die »Aktion Fluchtweg« wird weitergehen. Für den Fall, daß der saarländische Vorstoß erfolglos sein sollte, wird derzeit nach Wegen gesucht, um eigenständig bosnische Flüchtlinge nach Berlin zu holen. Ute Scheub

Siehe auch Kommentar Seite 10

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