Abtreibungsrecht geht nächste Woche vors Verfassungsgericht

Bonn/Berlin (AFP/dpa/taz) — Bundespräsident Richard von Weizsäcker hat das neue Abtreibungsrecht unterzeichnet und damit den Auftrag zur Verkündung im Bundesgesetzblatt gegeben. Wie ein Sprecher des Bundesjustizministeriums mitteilte, wird eine entsprechende Veröffentlichung am kommenden Dienstag erfolgen. Am gleichen Tag will der Zweite Senat des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG) in Karlsruhe über die Anträge zum Erlaß einer einstweiligen Verfügung gegen das neue Abtreibungsrecht verhandeln.

Nach einer Veröffentlichung des neuen §218 im Bundesgesetzblatt würde die von Bundestag und Bundesrat mit großer Mehrheit verabschiedete Fristenregelung mit Beratungspflicht im Normalfall in Kraft treten. Doch wie schon 1974 liegen dem BVerfG längst zwei Anträge zum Erlaß einer einstweiligen Anordnung gegen das neue Abtreibungsrecht vor. Mit der Normenkontrollklage von 241 Abgeordneten der CDU/CSU-Bundestagsfraktion und einer fast gleichlautenden Klage der bayerischen Staatsregierung zweifeln Abgeordnete von CSU und CDU gleichzeitig die Verfassungskonformität des neuen Abtreibungsrechts an. Die Karlsruher Richter wollen nach der Sommerpause, also im September oder Oktober, die Verhandlung beider Normenkontrollklagen aufnehmen.

Von Weizsäcker erklärte gestern, nur das Verfassungsgericht könne mit verbindlicher Wirkung entscheiden, ob das vorliegende Gesetz mit dem Grundgesetz vereinbar sei. Nach der gebotenen „rechtlichen und ethischen Prüfung“ habe er es als seine Pflicht angesehen, mit der Ausfertigung des Gesetzes den Weg zur Klärung durch das BVerfG zu öffnen.

Der CDU-Rechtspolitiker Reinhard Göhner erklärte gestern, er rechne damit, daß Karlsruhe eine Einstweilige Verfügung gegen die Fristenregelung beschließen werde. Göhner hielt es dennoch für naheliegend, daß das neue Recht in Ostdeutschland in Kraft tritt und nur für die alten Bundesländer keine Geltung erhält. Seiner Meinung nach liege die Neuregelung des §218 „näher am Grundgesetz“, als die zur Zeit in den neuen Bundesländern noch gültige Fristenregelung ohne Beratungspflicht. flo