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Flüchtlinge wollen zusammenbleiben

■ Verteilung auf deutsche Familien wurde gestoppt / Moslemische Gemeinde: ein Haus für alle!

Die Sozialbehörde hatte private Unterkunftsangebote mit den angekommenen Flüchtlingen abgeglichen, die Ausländerbeauftragte des Landes Bremen in einer Nachtaktion kurzfristig eine Broschüre mit Informationen für deutsche Gastfamilien zusammengestellt. Doch als dann gestern morgen die bosnischen Flüchtlinge tatsächlich auf Bremer Gastfamilien verteilt werden sollten, war der Schreck bei den Flüchtlingen groß. Die Bosnier, die am Montag mit dem Zug in Bremen ankamen, wollen in großen Gruppen zusammenbleiben, die Behörde stoppte daraufhin die Verteilung.

„Wir haben den Zusammenhalt unterschätzt“, meinte die Pressesprecherin des Sozialressorts, Andrea Frenzel-Heiduk. Da die deutschen Familien in aller Regel zwei bis drei Personen aufnehmen, die Flüchtlinge in Großgruppen von mit bis zu zwölf Personen zusammenbleiben wollen, wird die Behörde zumindest vorläufig nicht auf die große Hilfsbereitschaft vieler BremerInnen zurückkommen können.

Ismer Hodzic, Vorsteher der jugoslawisch-moslemischen Gemeinde in Bremen, war bereits am Montag zu dieser Einschätzung gekommen. Schon als die 51 nach Bremen gekommenen Flüchtlinge in zwei Gruppen geteilt wurden, hatte es Tränen gegeben. „Bei der Verteilung gab es Tumulte“, erzählt Hodzic. Einige fingen an zu weinen.“ 26 Flüchtlinge kamen bei den Mitgliedern der Moslemischen Gemeinde unter, 25 wurden in ein Aussiedlerheim in der Neustadt gebracht.

80 Mitglieder hat die Ge

Sie wollen lieber nicht in deutsche Gastfamilien: bosnische Flüchtlinge kurz vor der Ankunft in BremenFoto: Katja Heddinga

meinde jugoslawischer Moslems, und Vorsteher Hodzic, seit 1969 als Schiffsbauer bei „meinem Vulkan“ beschäftigt, hat jetzt in seinem Urlaub alle Hände voll zu tun, die Flüchtlinge zu verteilen und die Familien zu betreuen. Schon seit drei Monaten haben Gemeindemitglieder Flüchtlinge aufgenommen. Einer erzählt, daß zur Zeit zwölf Menschen in seiner Wohnung leben. „Wir sind genug

belastet“, sagt Hodzic. „Aber wir sind trotzdem noch nicht am Ende unserer Kräfte. Wenn jemand in Schwierigkeiten ist, dann sind wir bereit das letzte Stück Brot zu teilen.“

Doch daß seine Landsleute es schaffen, sich für eine Zeit in deutsche Familien zu integrieren, daran glaubt er nicht so recht. „Sie müssen nur in die Gesichter sehen. Viele wissen nicht, wo ihre

hier bitte das Foto

mit den Flüchtlingen

im Zugfenster

Männer und Kinder sind und denken nur an die Stunde, wenn sie zurückkehren werden.“ Da guckt eine Frau in den Raum der moslemischen Gemeinde, eine Serbin, die mit im Flüchtlingszug war. Ihre Schwiegermutter ist bei der Verteilung in die Neustadt gekommen. Jetzt soll versucht werden, dies wieder zu ändern. Die Familie, zu der noch zwei Kinder gehören, soll direkt im Gebäude der moslemischen Gemeinde untergebracht werden.

„Es ist egal, ob das ein Katholik oder ein Serbe ist, wir wollen hier keine Parteien“, meint Hodzic. „Die serbischen Nationalisten sind eine brutale Bande, man kann die serbische Bevölkerung

nicht damit vergleichen.“

Wenn bald noch einmal 50 Flüchtlinge nach Bremen kommen und dann möglicherweise Passagiere von der Cap Anamur, die Mitte August in Bremerhaven einläuft, aufgenommen werden, dann wird es auch für die moslemische Gemeinde eng werden. Und so hat Hodzic einen großen Wunsch an die Stadt Bremen: „Bremen müßte ein großes Gebäude für alle Flüchtlinge zur Verfügung stellen. Wir würden das dann betreuen.“ hbk

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