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Der Berg schießt

■ Die 24jährige Chinesin Shan Zhang gewann als erste Frau im Skeet-Schießen/ Hubert Bichler 4. beim Kleinkaliber

Barcelona (dpa/taz) — Mit geradezu meditativer Ruhe visierte die 24 Jahre alte Shan Zhang die vorbeiflutschenden Scheiben an und holte eine nach der anderen vom Himmel. Von den ersten 200 verfehlte sie keine einzige, im Endkampf litt dann auch ihre Konzentration ein wenig. Von den letzten 25 Schüssen auf der Anlage in Mollet del Valles gingen der dreizehnte und der siebzehnte daneben. Zum Gold reichte es trotzdem, da auch die ärgsten Konkurrenten, der Peruaner Juan Giha, der Silber gewann, und der Italiener Bruno Rossetti, der wild wie ein kalabresischer Singvogelkiller nach den Zielen ballerte, aber nur die Bronzemedaille erbeutete, am Ende patzten.

Mit Videogames in der stark frequentierten Spielhölle des olympischen Dorfes hatte sich Shan, was übersetzt „Berg“ heißt, in Barcelona die notwendige ruhige Hand geholt, doch schon in China hatte die 1,60 Meter große gute Schützin aus Sezuan alles andere ihrem Sport untergeordnet. Ende letzten Jahres heiratete die Sportstudentin, nur um ihren brandneuen Ehemann eine Woche später zu verlassen und sich ins Wintertraining nach Peking zu begeben. Lohn für die in den Wind geschossenen Flitterwochen war nun die erste Goldmedaille, die je eine Frau in der bislang männlichen Domäne Skeet- Schießen gewann.

Arg enttäuscht war Bernhard Dunkel aus Schöneiche, der im Halbfinale scheiterte. „Das ist schon bitter“, konnte er seinen Frust nicht verbergen. „Im dritten Anlauf wollte ich endlich eine Medaille, wenn möglich Gold.“ Allerdings befand sich der Weltmeister von 1985 in keiner schlechten Gesellschaft, denn bereits eine Runde früher kam das Aus für den Leipziger Axel Wegner, der vor vier Jahren in Seoul für die DDR Gold gewonnen hatte.

Mit dem allerletzten Schuß endete gestern der olympische Medaillen- Traum von Hubert Bichler, der nach dem Vorkampf im Kleinkaliber-Liegend-Schießen geführt hatte. Nur ein winziges fehlendes Zehntelpünktchen und Platz vier hieß es, als abgerechnet wurde. Lediglich ein knurriges „damit muß man rechnen“ ließ sich der schießwütige Polizeibeamte aus München entlocken. Ganz anders der Gefühlsausbruch des nervenstarken Südkoreaners Eun-Chul Lee, der nach dem Goldschuß seinen Tränen freien Lauf ließ.

Eine Erklärung für die beiden Aussetzer hatte der 32jährige Bichler nicht: „Nervöser als vorher war ich auf jeden Fall nicht.“ Der Einzelgänger scheint aber mit den Bedingungen im olympischen Dorf nicht zurecht zu kommen, am Vortag hatte er zuwenig Schlaf wegen des dort herrschenden Lärms beklagt.

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