Ruanda sucht Weg zum Frieden

Ein international überwachter Waffenstillstand soll ab 31.Juli den Bürgerkrieg beenden/ Wer bezahlt die Entmilitarisierung?/ Streit um französische Truppenpräsenz  ■ Von Francois Misser

Brüssel (taz) — Der 21 Monate alte Bürgerkrieg in Ruanda soll am Freitag zu Ende gehen. 50 Beobachter der Organisation für Afrikanische Einheit (OAU) aus Senegal, Ägypten, Nigeria und Simbabwe sollen einen Waffenstillstand zwischen der ruandesischen Armee und der von Uganda aus agierenden Guerilla „Ruandesische Patriotische Front“ (RPF) übrwachen. Durch die Internationalisierung hat diese Waffenruhe bessere Chancen als die letzte am 19.Juli in Tansania ausgehandelte Feuerpause, die schnell durch neue Kämpfe im Norden Ruandas gebrochen wurde.

Die OAU-Gruppe soll logistische Hilfe aus Deutschland, Belgien, Frankreich und den USA erhalten. Gleichzeitig verstärkt das UN- Flüchtlingshochkommisariat (UNHCR) seine Bemühungen, das Problem der mehreren hunderttausend ruandesischen Flüchtlinge in Uganda, Zaire, Tansania und Burundi zu lösen. Sie sollen entweder nach Ruanda zurückgeführt werden oder sich dauerhaft in ihren jetzigen Aufenthaltsländern niederlassen. Die RPF-Kämpfer sind hauptsächlich Nachkommen von Mitgliedern der Tutsi-Minderheit, die im Jahre 1959, nach ihrer Vertreibung von der Macht in Ruanda durch das Mehrheitsvolk der Hutu, ins Ausland flohen. In Ruanda selbst hat der Krieg 300.000 Menschen zu Flüchtlingen im eigenen Land gemacht. Ein dauerhafter Friede in Ruanda hat aber noch manche Hürden zu überwinden. Die RPF verlangt als Friedensbedingung ihre Beteiligung an der Regierung und die Eingliederung ihrer Kämpfer in die reguläre Armee. Doch dies wäre nur mit internationaler Hilfe zu realisieren. Ruanda kann sich ein solchermaßen aufgeblähtes Militär nicht leisten. Seit Ausbruch des Krieges ist die ruandesische Armee bereits um das Achtfache auf 40.000 Mann gewachsen, was den Staatshaushalt stark strapaziert — gar nicht zu reden von den Munitionsimporten aus Frankreich, transportiert von einer südafrikanische Firma, oder den Waffenlieferungen aus Ägypten.

Das Ziel müßte also Demobilisierung lauten. Aber bereits vor einem Monat ist es in einigen Städten zu Plünderungen nach zairischem Muster gekommen, begangen von Soldaten, die um ihre Zukunft fürchteten. Damals hatte die Regierungpartei „Republikanische Nationalbewegung für Demokratie und Entwicklung“ (MRND) dem neuen Informationsminister, der einer anderen Partei angehört, vorgeworfen, das Militär zu verunsichern. Ein Beispiel dafür, daß die seit 16.April amtierende Koalitionsregierung aus MRND und kleinen Oppositionsparteien in sich gespalten ist. Präsident Habyarimana beschuldigte unlängst die kleineren Koalitionsparteien, Anfang Juni „ohne sein Wissen“ Geheimverhandlungen mit der RPF in Brüssel geführt zu haben.

Seit kurzem liefern sich sogar die Jugendorganisationen der Oppositionsparteien regelmäßig bewaffnete Straßenkämpfe mit jungen MRND- Aktivisten, die in einer Miliz namens „Interahamwe“ („Diejenigen, die den Speer in dieselbe Richtung werfen“) zusammengeschlossen sind. Diese Miliz ist verbündet mit einer „Koalition für die Verteidigung der Republik“ (CDR), geleitet von dem ehemaligen Oppositionellen Jean Barahinyura. Er lebte lange im deutschen Exil, war 1990 kurzzeitig Europa-Sprecher der RPF und predigt heute in Ruanda eine nahezu rassistische Anti-Tutsi-Ideologie.

Selbst in der Regierungspartei MRND wird gestritten: über die Anwesenheit französischer Truppen in Ruanda. Präsident Habyarimana hält sie für einen Stabilitätsfaktor, da sie die Sicherheit der im Land lebenden Europäer garantiert und die ruandesische Armee ausbildet. Gerechtfertigt wird die Ausbildungstätigkeit mit der Notwendigkeit, das frankophone Ruanda gegen das anglophone Uganda zu verteidigen. Aber eine MRND-Fraktion forderte am 22.Juli den sofortigen Rückzug der französischen Soldaten, die sie als „wichtiges Hindernis zur Durchführung der Waffenstillstandsabkommen“ bezeichneten. Auch wenn der Waffenstillstand halten sollte — der politische Streit beginnt erst. Während die Regierung bis zum 16. April 1993 kommunale, Parlaments- und Präsidentschaftswahlen abhalten will, fordert die RPF-Guerilla, daß es Wahlen erst nach der Eintragung der ruandesischen Flüchtlinge in das Wahlregister geben darf.

Habyarimana lehnt dies bislang ab: „Die Rückkehr der Flüchtlinge darf den demokratischen Prozeß nicht bestimmen“, sagte er in Brüssel. „Wer zurückkommen will, braucht sich bloß zu integrieren.“