: TV-gerechte Bewegungen
■ Olympiaglotzen: Callanetics oder Freiübungen für Barcelona-Junkies / Ein Fernsehapparat und ein Videogerät genügen
: Callanetics oder Freiübungen für Barcelona-Junkies/ Ein Fernsehapparat und ein Videogerät genügen
Was Tun um die eigene körperliche Fitneß währen der zahlreichen Olympiaübertragungen zu gewährleisten. Aerobic vielleicht? Geht nicht ohne Musik und wie soll mensch dann Heriberts Erläuterungen goutieren? Sich in mit Eisen, Matratzen und Spiegeln gefülltes Fitneßstudio zu begeben und unter dröhnender Musik seinen abgeschlafften Körper wieder in die gewohnte Form zu bekommen und sich des gräßlichen Bauchspecks zu entledigen, scheidet wegen der fehlenden räumlichen Nähe zum heimischen Fernsehgerät ebenfalls aus. Also vielleicht doch Aerobic? Doch das aus den USA stammende Aerobic paßt jenen Personen nicht, die sich ihre Leibesübungen vielleicht ein wenig leiser, eventuell doch etwas ruhiger, gewünscht hätten. Daher sind neue lärmgedrosselte Formen im laufe der Jahre entstanden, die geräuschärmer für Gesundheit und Wohlbefinden sorgen sollen, wie z. B. die Wassergymnastik oder jetzt neu auf dem Markt: das Callanetics-Bewegungstraining.
Geboren mit einer Wibelsäulenkrümmung und verschobener Hüfte versuchte die Amerikanerin Callan Pinckney alle Bewegungsarten von Yoga bis zum klassischem Ballet und probierte alle physotrtherapautischen Methoden aus, um ihren Körper zu kräftigen — aber ohne jegliche Wirkung. Durch diese vielfaltige Körpererfahrung entwickelte sie dann ihr eigenes Trainingsprogramm: das Callanetics. Der Unterschied zwischen dem Callanetics Bewegungstraining und Freiübungen herkömmlicher Art mutet nicht gerade revolutionär an, das Ziel ist aber gleich: für Kraft, Beweglichkeit, Ausdauer und somit für vermeintliche Schönheit zu sorgen. Der entscheidene Unterschied liegt vielmehr in der Art der Präsentation. Keine Gymnastikhallen oder Spiegelräume sind für die „neue“ Gymnastik nötig, sondern nur der Kauf einer Videokassette — ein Videogerät und ein Handtuchgroßer Platz vor der Glotze reichen vollkommen aus, um fit und schön zu bleiben. Ein erneutes Beispiel der postmodernen Zeit wo der Individuum nicht mehr auf den Zeitplan des Vereins oder gar des Fitneß-Studios beschränkt ist, sondern nur auf sich selbst und das Fehrnsehprogramm. Eine „neue“ Gymnastiksform sorgt auch für neue Wunder. Die Übungen sollen überraschende, nahezu esoterische Nebeneffekte, haben wie z. B. die Callanetics-Bauchübungen die nicht nur für Ausdauer, Durchhaltevermögen und Kraft sorgen sollen, sondern auch für die Beseitigung einer Doppelkinn, Verringerung des Appetits und Lösung von Nackenspannungen. Das schönste ist, man muß nicht mehr aus dem Haus gehen, um vor dem Fernseher fit zu bleiben. Gunnar Gudmundsson
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