: „Alle fühlen sich als Verlierer“
■ Wedemeier: Ampel besser als ihr Ruf / Kritik an Fücks „abenteuerlich“
Bildungspolitik, Hemelinger Marsch, Haushaltssanierungsprogramm — auf die Ampelkoalition kommen nach Meinung von Bürgermeister Klaus Wedemeier „einige tiefgehende Schiffe“ zu. Doch trotz aller Probleme ist Wedemeier der Auffassung, daß die Ampelkoalition zufriedenstellend funktioniert. Die Schwierigkeiten sieht er vor allem darin begründet, daß die Beteiligten Parteien ihre Erfolge zuwenig würdigten. Wedemeier: „Das Problem ist, daß alle sich als Verlierer fühlen.“
Mit diesen Worten nahm Wedemeier am Mittwoch abend vor Journalisten Stellung zu einem Papier des grünen Fraktionssprechers Dieter Mützelburg, der die weitere Mitarbeit der Grünen in der Koalition in Frage gestellt hatte. Über dieses Papier mit der Überschrift „Warum die Grünen nicht regieren können“ (vgl. taz vom 21.7.92) wollen die Grünen in einer Klausur-Sitzung am 11. August beraten. Mützelburg hatte kritisiert, daß vom grünen Wahlprogramm in der Ampel fast nichts durchgesetzt worden sei und hatte eine Neubewertung der Koalitiuonsverhandlungen verlangt.
„Die grünen Wähler wollen mehrheitlich, daß die Grünen regieren“, meinte Wedemeier. Die Partei könne aber nicht den Anspruch haben, mit zwölf Prozent der Stimmen hundert Prozent der Politik zu bestimmen. Gerade im Bereich Verkehrs- und Flächenpolitik aber auch bei der finanziellen Absicherung von Initiativen hätten die Grünen im Senat deutliche Akzente gesetzt. Mützelburgs Kritik könne sich deshalb nicht auf die Arbeit der Grünen im Senat beziehen, sondern habe wahrscheinlich eher „private oder grün-interne“ Gründe. Einen Ausstieg aus der Koalition nach gut sieben Monaten könnten die Grünen auch auf Bundesebene nicht gebrauchen. Ausdrücklich nahm Wedemeier Umweltsenator Ralf Fücks gegen Kritik von Mützelburg in Schutz. Wedemeier: „Kritik an der Kompetenz von Ralf Fücks zu üben, ist abenteuerlich.“
Daß die Leistungen der Ampel nicht angetan sind, die BremerInnen zu begeistern, darüber macht sich auch Wedemeier keine Illusionen. „Bis der Koalition zugejubelt wird, braucht es noch harte Arbeit“, meinte der Bürgermeister. So ganz genau will man im Rathaus denn auch gar nicht wissen, wie die Ampel ankommt. Eine ursprünglich für den September geplante Forsa-Umfrage zur politischen Situation wird voraussichtlich gestrichen. Offizielle Begründung: Die Sparzwänge des Haushaltes erlauben die 70.000-Marks-Ausgabe derzeit nicht. hbk
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