Wedemeier für Artikel-16-Änderung

■ Bürgermeister will in der SPD und in der Ampelkoalition die Asyldiskussion neu eröffnen

Bürgermeister Klaus Wedemeier hat sich festgelegt: Beim SPD- Landesparteitag im September will er für eine neue Flüchtlings- und Asylpolitik eintreten, die auch eine Änderung des Artikels 16 Grundgesetz einschließt. „Wenn wir nicht endlich eine Problemlösung offerieren, schwimmen uns alle Felle davon“, meinte Wedemeier am Mittwoch abend vor Journalisten.

Damit steht nicht nur der SPD, sondern auch der Ampelkoalition Streit ins Haus. Denn bereits vor der Sommerpause hatte ein vorsichtiges Nachdenken Wedemeiers über den Artikel 16 zu heftiger Kritik zum Beispiel von dem Grünen-Abgeordneten Walter Ruffler und der Ausländerbeauftragten Dagmar Lill geführt. Ruffler hatte von Wedemeier verlangt, daß er sich als Präsident eines Ampelsenats in der Asylfrage zurückzuhalten habe und auf den Koalitionsvertrag verwiesen, in dem eine Änderung des Grundgesetz-Artikels 16 ausdrücklich abgelehnt wird.

Wedemeiers neue Position umfaßt drei Elemente. Zum einen brauche die Bundesrepublik ein Einwanderungsgesetz, da ansonsten im nächsten Jahrhundert 300.000 Arbeitsplätze nicht besetzt werden könnten. Zum zweiten müßten Kriegsflüchtlinge aufgenommen werden, ohne diese dazu zu zwingen, einen Asylantrag zu stellen.

In diesem Zusammenhang bezeichnete Wedemeier die Haltung der anderen europäischen Staaten gegenüber den Kriegsflüchtlingen im ehemaligen Jugoslawien als zynisch und beschämend. Drittens müsse die Behandlung von Asylbewerbern europaweit einheitlich geregelt werden. Dafür müsse der Artikel 16 des Grundgesetzes „zwangsläufig“ geändert werden.

Für unverzichtbar bei einer europäischen Regelung hält Wedemeier die individuelle Überprüfung eines Asylanspruchs, und eine juristische Instanz an die sich AsylbewerberInnen wenden könne, wenn ihr Antrag abgelehnt wird. Wedemeier: „Wer Asyl braucht, muß es auch bekommen.“ Die Grundgesetzänderung will Wedemeier nicht als einseitige Vorleistung bei der europäischen Harmonisierung des Asylrechts, sondern am Ende einer europäischen Regelung.

Gleichzeit verlangte Wedemeier, daß abgelehnte und insbesondere straffällig gewordene Asylbewerber schneller abgeschoben werden. Der Bevölkerung fehle jegliches Verständnis, wenn beispielsweise Drogendealer wegen laufender Asylverfahren im Lande bleiben könnten.

Wedemeier appellierte an seine Partei, die Asyldiskussion zu enttabuisieren und vom Ergebnis her zu diskutieren. „Es hilft nicht mehr weiter, statisch auf alten Positionen zu verharren.“ Seine neue Position vertrete er in erster Linie als SPD-Mitglied. Als Präsident des Senats werde er sich selbstverständlich an die Koalitionsvereinbarung halten. Wedemeier erinnerte allerdings daran, daß auch innerhalb der Grünen inzwischen kontrovers über die Asylfrage diskutiert werde.

Im SPD-Vorstand wird zur Zeit ein Leitantrag erarbeitet, der eine Änderung des Artikels 16 ablehnt. Auf die Frage, ob er außer dem Europaabgeordneten Thomas von der Vring noch einen führenden Bremer Genossen kenne, der seine Position teile, meinte Wedemeier: „Die werden wir jetzt sehr bald kennenlernen.“ hbk