: Baker trifft Iraks Opposition
■ Vertreter von Schiiten, Sunniten und Kurden in Washington empfangen/ USA bereiten UNO-Resolutionsentwurf für Intervention im Südirak vor
Washington (wps/AP/taz) — US- Außenminister James Baker hat zum ersten Mal Vertreter der irakischen Opposition zu einem offiziellen Gespräch empfangen. An der eineinhalbstündigen Unterredung, die am Mittwoch in Washington stattfand, nahmen je zwei Vertreter der Sunniten, der Schiiten und der Kurden teil. Aus dem kurdischen Nordirak waren die beiden bekanntesten Politiker Jalal Talabani, Generalsekretär der „Patriotischen Union Kurdistan“ und Massud Barzani, der Vorsitzende der „Kurdischen Demokratischen Partei“, angereist, deren Parteien bei den Wahlen im Mai die meisten Stimmen gewonnen hatten.
Baker wollte der bisherigen Politik der US-Regierung offenbar ein Ende setzen, derzufolge nur inoffizielle Kontakte auf niederer Ebene mit der irakischen Opposition gepflegt wurden. Unmittelbar nach dem Gespräch hatte es jedoch den Anschein, als habe Baker der Delegation keinerlei konkrete Unterstützung zugesichert. Talabani und Barzani hatten vor dem Treffen gegenüber der Washington Post erklärt, sie hofften, für die Kurden im Nordirak Flugabwehrgeschütze zu erhalten, um sich gegen die Übergriffe der irakischen Armee schützen zu können. In diesem Zusammenhang wollten sie auch von den USA verlangen, alle Flüge der irakischen Luftwaffe zu unterbinden, die Bagdad nach der Waffenstillstandsresolution des UN- Sicherheitsrates ohnehin untersagt sind. Außerdem wollten die beiden kurdischen Politiker eine Lockerung des UN-Handelsembargos anregen, damit in Zukunft wenigstens der kurdische Nordirak wieder in den internationalen Handel eingebunden ist.
Talabani und Barzani hatten außerdem vor, im Gespräch mit Baker die Präsenz der gut dreihundert UN- Mitarbeiter im kurdischen Norden für die Zukunft sicherzustellen. Sie würden keine militärische Intervention der USA im Irak fordern, wollten aber auch für den Südirak die Errichtung von UN-geschützten Enklaven für die schiitische Bevölkerung vorschlagen, erklärten sie der Washington Post.
Aus offiziellen US-Quellen hieß es, gegenwärtig bestehe keinerlei Absicht, im Südirak militärisch zu intervenieren. Doch der amerikanische UN-Botschafter Edward Perkins teilte dem Kongreß gestern mit, daß ein Resolutionsentwurf für den UN-Sicherheitsrat in Arbeit sei, in dem eine Grundlage für ein militärisches Vorgehen gegen den irakischen Truppeneinsatz im Südirak geschaffen werden solle.
Anfang der Woche wurde erneut eine internationale Einrichtung im Nordirak angegriffen. Das Gebäude der Welternährungsorganisation im kurdischen Sulemaniyah wurde von einer Granate getroffen. Es ist bereits der zwölfte Angriff in diesem Jahr, der sich gegen die Präsenz internationaler Organisationen im Nordirak richtet. Von kurdischer Seite wird der irakische Geheimdienst verantwortlich gemacht. Dienstag nacht begann die irakische Armee mit einem Angriff gegen Stellungen der Peschmerga in der Stadt Chamchamal. Der irakische Angriff folgte auf eine erneute Truppenzusammenziehung zwischen Kirkuk und Mossul. Während der Krise im Zusammenhang mit der UN-Inspektion hatte Bagdad mit US-amerikanischen Luftangriffen gerechnet und parallel dazu mit einem kurdischen Angriff auf die Ölregion um Kirkuk.
Bewegung gab es auch in der irakischen Regierung: Staatspräsident Saddam Hussein hat gestern die Versetzung des bisherigen Außenministers Achmed Hussein ins Finanzressort verfügt. Das Außenamt übernimmt der bisherige Staatsminister für auswärtige Angelegenheiten, Mohammed Said el Sahhaf. Der bisherige Finanzminister Madschid Abed Dschaafar ist nicht mehr im Kabinett vertreten, ebenso wie der bisherige Minister für höhere Bildung, Abdul Rassak el Haschemi, der durch Humam Abdul Chalik ersetzt wurde. Chalik ist ein enger Vertrauter des irakischen Staatschefs und leitete bisher die von der UNO aufgelöste Atomforschungsbehörde.
Die UN-Inspektoren, die am Dienstag und Mittwoch das Landwirtschaftsministerium in Bagdad durchsucht haben, sind nicht fündig geworden. In dem Gebäude waren Unterlagen über das irakische Raketenprogramm vermutet worden. Das Inspektorenteam reiste gestern nach Bahrain ab.
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