: EG-Verfassungsentwurf für Bosnien
■ Vorgesehen ist eine „Rotation“ der Staatsführung/ Heftige Kämpfe in Sarajevo
London/Sarajevo (dpa/AFP) — Granaten auf das historische Stadtzentrum, Gefechte in den Vorstädten — in der bosnischen Hauptstadt Sarajevo ist es in der Nacht zum Donnerstag zu den heftigsten Kämpfen seit mindestens einem Monat gekommen. Die Bewohner der Innenstadt durften ihre Häuser auch am Morgen nicht verlassen, die Nacht hatten sie — ebenso wie auch die Soldaten der UNO — in Schutzräumen verbracht. Bei der Bombardierung sollen mindestens drei Menschen getötet und 16 verletzt worden sein.
Nach Mitteilung der UNO wurden am Donnerstag in Sarajevo etwa 20 Hilfsflüge erwartet. Am Abend sollten außerdem 184 ägyptische Blauhelmsoldaten mit 94 Fahrzeugen in der bosnischen Hauptstadt eintreffen. Am Mittwoch war bereits ein ukrainisches Team mit 370 Mann in Sarajevo angekommen.
In London äußerten sich der Serbe Radovan Karadzic und der Kroate Mate Boban positiv über den von EG- Vermittlern ausgearbeiteten Plan für eine neue bosnische Verfassung. Der Entwurf sieht vor, daß an der Spitze der Republik ein Ministerpräsident mit zwei Stellvertretern steht. Jede Volksgruppe soll einen dieser Posten besetzen, die drei sollen sich jeweils in der Führung abwechseln. Außerdem solle Bosnien-Herzegowina von einem aus neun Mitgliedern bestehenden Rat regiert werden. Jede Volksgruppe werde drei Vertreter stellen. Anteilig sollten auch die Streitkräfte aufgebaut werden. Über die genauen Grenzen der künftigen Kantone in der Republik sei noch nicht gesprochen worden.
Nicht kommentiert wurde der Entwurf bisher von der Regierung des betroffenen Staates. Statt dessen warb der stellvertretende Präsident Bosniens, Ejup Ganic, in der Türkei um Waffenhilfe im Kampf gegen Serbien. Ankara setzt zunächst jedoch weiterhin auf die „Wege der internationalen Diplomatie“: Wenn sich ein Land in der Region zu sehr für eine der Kriegsparteien engagiere, sei mit dem Ausbruch eines großen Balkan- Krieges zu rechnen.
Auf einen Rückzug serbischer Truppen aus einem Küstenstreifen südlich von Dubrovnik innerhalb von acht Tagen haben sich Serbien und Kroatien unter Vermittlung der EG und der UNO geeinigt. Unter Vermittlung des Roten Kreuzes verständigten sie sich außerdem auch auf den Austausch ihrer 1.200 Kriegsgefangenen.
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