: Hohe Erwartungen
■ Reaktionen auf Honeckers Rückkehr
Selbstgenügsam reagierte Regierungschef Helmut Kohl auf die erzwungene Rückkehr seines einstigen Amtskollegen. „Es wurde Zeit. Nun kann der Prozeß beginnen“, habe der im Urlaub weilende Kanzler gesagt, kolportierte Regierungssprecher Vogel. Auch SPD-Chef Björn Engholm äußerte sich befriedigt: Vor allem die Menschen in den neuen Ländern hätten es als zutiefst ungerecht empfunden, „daß gegen die Befehlsempfänger Prozesse geführt werden und der politische Befehlshaber außen vor bleibt.“ Justizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger (FDP) stellte fest: „Jetzt nimmt die Gerechtigkeit ihren Lauf.“ FDP-Generalsekretär Uwe Lühr sieht in der späten Rückkehr Honeckers sogar „vielleicht“ einen Vorteil: „Die monströsen Dimensionen der stalinistisch-zentralistischen Herrschaft in der ehemaligen DDR und ihre Folgen“ seien erst in den vergangenen Monaten wirklich deutlich geworden. Damit sei der Blick geschärft worden für die persönliche Schuld Honeckers, „der Galionsfigur 40jähriger Zwangsherrschaft“. Brandenburgs Ministerpräsident Manfred Stolpe sagte ganz im Kirchenjargon: „Wir erwarten Erich Honecker ohne Haß.“ Der ehemalige Bürgerrechtler Ralf Hirsch plädierte dafür, daß der Prozeß „schnellstmöglich vorangetrieben werde, da die Erwartungen groß sind.“ Auch die 1988 ausgebürgerte Künstlerin und Bürgerrechtlerin Freya Klier erwartet von dem Prozeß, daß herausgearbeitet wird, wie die DDR funktioniert habe. Die stellvertretende Landesvorsitzende der Berliner PDS, Petra Pau, sagte: „Die Bundesregierung hat mit der Rückkehr Erich Honeckers offensichtlich das von ihr benötigte Objekt für die Abrechnung mit der DDR, dem Sozialismus überhaupt, und auch für die Vertuschung eigener Verantwortung und Schuld für Entwicklungen in den letzten zwei Jahren.“ PDS-Chef Gregor Gysi warnte, eine historische Aufarbeitung werde „verhindert, indem man meint, die juristische Variante beschreiten zu können. Ein Prozeß gegen Erich Honecker vor Gericht — das wird die größte Blamage für ihn, die Justiz und die Bundesrepublik Deutschland als Ganzes. Das kann ich als Anwalt versprechen.“
Das ehemalige Zentralorgan der KP, die Prawda in Moskau entschuldigte sich bei Honecker für das „unmoralische Verhalten“ der russischen und ehemals sowjetischen Führung. „Verzeih' uns, Erich Honecker!", hieß es auf Seite 3. Er sei Opfer des Verrats und der „politischen Intrigen seiner damaligen Freunde und Kameraden Jelzin und Gorbatschow“ geworden.
Zu Wort meldete sich auch der ehemalige Chefkommentator des DDR-Fernsehens, Karl-Eduard von Schnitzler: „Es gibt in Bonn keinen Menschen, der der Persönlichkeit Honeckers das Wasser reichen könnte."
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