: Behindertenhilfe gefährdet
■ Wohlfahrtsverbände und Eltern schlagen Alarm / Bremer Sparregime
Werden Eltern behinderter Kinder in Bremen bald wieder ohne Hilfe dastehen? Die ambulanten Dienste für Familien mit behinderten Kindern sind im nächsten Jahr am Ende, wenn sich die Sozialbehörde bei den Haushaltsberatungen nicht durchsetzen kann. Arbeiterwohlfahrt, Lebenshilfe, Innere Mission und die betroffenen Eltern schlugen gestern bei einer Pressekonferenz Alarm.
Seit drei Jahren können die Familien mit behinderten Kindern die Betreuung für einige Stunden beantragen. Organisiert wird sie bei den drei Wohlfahrtsverbänden, bezahlt werden die Stunden vom Sozialamt. Jeder der Verbände beschäftigt eine KoordinatorIn, die den Familien bei der Antragstellung hilft, die geeigneten Hilfskräfte einstellt und anlernt und schon mal einspringt, wenn Not an der Frau ist. Ob diese Koordinatorinnen weiterbezahlt werden können, erscheint nach Gesprächen im Sozialressort mehr als fraglich. Treffen würde das Bremer Sparregime in diesem Fall nicht nur die drei KoordinatorInnen, sondern vor allem die rund 130 Familien, die die Hilfe regelmäßig in Anspruch nehmen.
„Kim muß in jeder Minute jemanden haben“, erzählt Ute Meierdirks über das Leben mit ihrer geistig behinderten vierjährige Tochter. „Wir bekommen alle 14 Tage drei Stunden Hilfe. Da kann ich mich wenigstens mal meiner älteren Tochter widmen.“ Die ambulante Betreuung bedeutet meist kleine Hilfen, allerdings mit großen Auswirkungen auf die angespannte Psyche der Familien. „Da ist ein Riesenbedarf“, weiß Andreas Hoops von der Lebenshilfe. „Die Familien haben Streß rund um die Uhr und nie Zeit für sich und ihre Partner.“ 18.000 Stunden wurden im letzten Jahr geleistet. Dazu kam das Kurzzeitwohnen, das von denselben Kräften organisiert wird. Die drei Plätze in Betreuungseinrichtungen für geistig behinderte Menschen, deren Angehörige krank werden oder in Urlaub fahren wollen sind ständig ausgebucht.
Daß die Hilfen nötig sind und letztlich Geld sparen, weil sie einer viel teureren Heimunterbringung vorbeugen, das wird auch im Hause Gaertner so gesehen. Trotzdem mochte man dort keinerlei Finanzierungszusagen für das kommende Jahr geben. Das Defizit liegt bei 150.000 Mark pro Verband. Vielleicht werden ja die SparpolitikerInnen doch noch weich, wenn sie die Vorschläge der Verbände erfahren: Die haben sich schon zusammengesetzt und die Zusammenlegung der Koordination von AWO und Innerer Mission beraten, um der senatorischen Seite entgegenzukommen. J.G.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen